Carver-Verfilmung: Männer sind anders, Frauen auch
Der Spielfilm "Jindabyne - Irgendwo in Australien" von Ray Lawrence verlegt eine Kurzgeschichte Raymond Carvers in den australischen Regenwald.
Schon vor dem ersten Bild steht ein Hinweis: Dieser Film will niemandem wehtun. Per Schriftinsert werden die Angehörigen der australischen Ureinwohner darauf hingewiesen, dass sie im Folgenden mit Tönen und Bildern der Verstorbenen konfrontiert werden. Die Geste mag vorauseilendem Gehorsam entspringen. Die Kultur der Aborigines soll unbedingt geachtet werden. Was als anstößig empfunden werden könnte, bedarf deshalb einer ausdrücklichen Warnung. Und trotzdem setzen sich die Macher des Spielfilms "Jindabyne - Irgendwo in Australien" schnell über das Bilderverbot hinweg.
"Nur für Männer", tönt es durch den Wald. Daran kann auch ein junger Mann nichts ändern. Billy (Simon Stone) hätte seiner Freundin gerne den wundervollen australischen Regenwald gezeigt, aber Stewart (Gabriel Byrne), seine Angelkumpanen und die Mythen der Aborigines erlauben kein weibliches Wesen in den Snowy Mountains. Beim jährlichen Angelausflug bleiben Gattinnen und Freundinnen daheim. Doch eine im Fluss treibende Frauenleiche stört bald darauf die männliche Ordnung. Um das gewohnte Ritual nicht zu gefährden, lassen die Angler die Leiche im Wasser. Erst nach dem Trip wollen sie den Fund der Polizei melden.
Dieser Teil des Plots fand schon Eingang in Robert Altmans berühmtem Episodenfilm "Short Cuts"; er geht zurück auf Raymond Carvers Kurzgeschichte "So much Water So Close to Home". Carvers Text übernimmt radikal die Perspektive von Stewarts Ehefrau. Passiv erduldet die Icherzählerin die Ungeheuerlichkeit, aber präzise, ja aggressiv schildert sie die männliche Lethargie und die sexuellen Attacken des Angetrauten.
Im Gegensatz dazu wirkt die von Ray Lawrence nach Australien verlegte Geschichte zahnlos und versöhnlich. "Jindabyne - Irgendwo in Australien" setzt vor allem auf schöne Bilder und starkes Schauspiel. Die schöne Tote ist Angehörige der Aborigines. So kommt es nach der Rückkehr nicht nur zum Bruch zwischen Stewart und Claire (Laura Linney). Ebenso werden die weißen Angler des Rassismus bezichtigt. Da Claire auf Dialog und Aufarbeitung des Traumas mit ihrem verstockten Mann beharrt, da sie sich bemüht, Mitschuld zum Ausdruck zu bringen gegenüber der Gemeinschaft der Aborigines, entfremdet sie sich von den anderen Bewohnern der Kleinstadt Jindabyne. Hier dehnt Ray Lawrence Carvers minimalistisch-radikale Kritik an der Männerwelt übermäßig; er stilisiert die Figur der Claire zum aktiven, altklugen Gutmenschen. Anders als in der literarischen Vorlage lässt sie das männliche Schweigen nicht auf sich beruhen. Auf der anderen Seite stehen Stewart und seine Mannen, wortkarg und uneinsichtig. Kommunikation ist ihnen fremd. Ein Konflikt mündet rasch in eine Situation, in der Stewart seine blutige Nase laut knackend richten muss.
Darum geht es hier wohl auch: Männer sind anders, Frauen auch. Es gebe nur drei Arten von Geschichten, sagt Ray Lawrence: "Männer, Frauen und Gott - welcher auch immer." Am Ende vereint er die drei - und die Aborigines - in einem Bild, das das bis dato Gezeigte ad absurdum führt. In keinem Verhältnis steht dieses einfache Ende zu den komplexen Fragen nach Geschlecht, ethnischer Herkunft und Verständigung. Der zuvor so aufwändig etablierte Dualismus, er spielt keine Rolle mehr.
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