Carsharing-Boom in Berlin: Kleines Auto gefällig?
Zwei große Unternehmen locken Kunden mit Carsharing ohne feste Stationen. Die klassischen Anbieter von Teilzeitautos fürchten bislang nicht, verdrängt zu werden.
Die Idee ist einfach: Wo ein Auto gebraucht wird, soll eins bereitstehen. Und wo die Tour zu Ende ist, lässt man es einfach zurück. Schon zwei Firmen versuchen, diese Idee in Berlin umzusetzen. „Car2go“ – „Auto zum Mitnehmen“ – nennt die Daimler AG ihr Angebot, für das sie vor drei Wochen 1.000 weißblaue Zweisitzer-Smarts in der Stadt verteilt hat. Etwas länger im Geschäft ist ein Joint Venture von BMW und dem Autoverleiher Sixt: Seit Ende September 2011 bieten sie unter dem Label „DriveNow“ rund 350 Minis und kleine BMWs an. Ab Juni sollen es 500 sein.
Sascha Meyer hat sich für die Smarts entschieden. Im Internet hat sich der Marzahner angemeldet und kann am Folgetag seine Mitgliedskarte bei „Car2go“ abholen. Die Karte ist gleichzeitig der Autoschlüssel, wenn man sie ans Lesegerät hinter der Heckscheibe hält. Für 29 Cent pro Minute inklusive Diesel und Versicherung kann Meyer nun durch Berlin und Brandenburg brausen. Nur beenden muss er die Fahrt wieder im Geschäftsgebiet. Ab Kilometer 20 kommt ein Aufschlag von 29 Cent pro Kilometer hinzu. Eigentlich ist Meyer vor allem mit BVG und S-Bahn unterwegs. „Aber wenn ich abends noch mal los will, ist ein Auto einfach schneller“, erklärt der Mittvierziger seine Motivation.
Im Internet – auch via Handy-App – kann Meyer jetzt nachsehen, wo der nächste Smart steht. Abgerechnet wird nach Minute, die Stunde kostet maximal 12,90 Euro. Komplizierter ist die Frage, wo die Fahrt beendet werden darf. „Für 70 Prozent der Berliner Haushalte ist das Modell direkt zugänglich“, erklärt „Car2go“-Sprecher Andreas Leo. Sie können das Auto also vor ihrer Tür abstellen. Außerhalb des Geschäftsgebiets geht das nicht. Wo genau der Wagen stehen gelassen werden darf, zeigt der integrierte Bordcomputer. „Wir wollen ein neues Mobilitätskonzept aufbauen“, sagt Leo. Es richte sich an Kunden, die sich spontan für eine Kurzfahrt entscheiden.
Konkurrent „DriveNow“ hat weniger Abstellmöglichkeiten. Mit 120 Quadratkilometern ist das Geschäftsgebiet nur halb so groß, es beschränkt sich weitgehend auf den S-Bahn-Ring. Ähnlich das Preissystem: 29 Cent pro Minute, alles inklusive, der Stundenpreis liegt je nach Fahrzeugtyp bei 14,90 bis 17,40 Euro. „Wir haben diese Art des Carsharings gestartet, weil Leute, die sich kein Auto leisten können, trotzdem manchmal eins brauchen“, so Sprecher Michael Fischer.
Mit ihrem Konzept stehen die beiden Firmen in Konkurrenz zum „klassischen“ Carsharing. Das hatte 1988 in Berlin seine Deutschlandpremiere: mit „StattAuto“, seit 2006 als „Greenwheels“ auf dem Markt unterwegs. Das Prinzip: Mehrere Menschen nutzen ein Auto, das sie – hier liegt ein Unterschied – an festen Stationen ausleihen und wieder abstellen müssen. Auch das Tarifmodell ist anders: Die 70 Berliner Fahrzeuge des Unternehmens kosten 2 bis 3 Euro pro Stunde, jeder gefahrene Kilometer schlägt mit rund 30 Cent zu Buche. Sechs weitere Anbieter tummeln sich auf dem Berliner Markt, darunter „Stadtmobil“, „Cambio“ und die Deutsche Bahn mit „Flinkster“.
Dass „Car2go“ und „DriveNow“ sie verdrängen, erwarten die kleineren Anbieter nicht. Katharina Fölsche von der Stadtmobil-Geschäftsführung erklärt, es handle sich um ein anderes Konzept, die Geschäftsmodelle nicht berührten sich nicht. „In Berlin hatten wir außerdem immer eine große Konkurrenz.“ Vom aggressiven Auftreten des Daimler-Konzerns erwartet Fölsche sogar Synergieeffekte. „Dadurch, dass Daimler 1.000 Smarts auf den Markt werfen kann, wird Aufmerksamkeit erzeugt, von der auch wir profitieren“, glaubt sie.
Kritischer sieht der Bundesverband für Carsharing (bsc) die Marktoffensive. „Wir fürchten, dass es zulasten des öffentlichen Nahverkehrs geht, weil sich die Leute doch eher für das Auto entscheiden, wenn es da ist“, sagt der Geschäftsführer des bsc, Willi Loose. Andererseits sei auch nicht sicher, dass immer ein Auto direkt bereitstehe. Erste Untersuchungen müssten abgewartet werden.
Noch nicht rentabel
Um die Fahrzeugflotte in Schuss zu halten, kümmert sich bei beiden To-go-Anbietern ein Serviceteam um die Wartung. Wie viele Mitarbeiter dafür beschäftigt werden, wissen beide Sprecher nicht. Ein externer Dienstleister sei mit der Aufgabe betraut. Auch bei den Kundenzahlen wird herumgedruckst: Etwa 10.000 Kunden sollen zurzeit die 1er-BMWs und Minis von „DriveNow“ nutzen – sprich: Sie haben sich zumindest registriert. Daimler gibt momentan gar keine Zahlen heraus. Es soll aber schon im Vorfeld 2.000 Registrierungen gegeben haben, und täglich kämen mehrere hundert Anmeldungen hinzu. Doch so viel ist sicher: Rentabel ist die ganze Geschichte noch nicht. „DriveNow“ will laut Sprecher Fischer nach 48 Monaten schwarze Zahlen schreiben. Bei „Car2go“ peilt man 2014 an.
Die Preise hat Monatskartenbesitzer Sascha Meyer noch nicht verglichen. Ihn habe vor allem das große Geschäftsgebiet des Anbieters überzeugt, sagt er. „Die meisten anderen Carsharing-Firmen haben ihre Stationen innerhalb des S-Bahn-Rings. In Marzahn-Hellersdorf und Köpenick, da gibt es nichts mehr.“ Zumindest in dieser Hinsicht ist „Car2go“ noch konkurrenzlos.
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