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Cannabis-ModellprojekteSchwarzmarkt weiterhin geöffnet

Die Bundesanstalt BLE will weiterhin keine Cannabis-Modellprojekte bewilligen – auch nicht in Friedrichshain-Kreuzberg, Neukölln und Pankow.

Hanfparade 2025 in Berlin: Es bleibt noch viel zu tun Foto: dpa

Aus Berlin

Plutonia Plarre

Es war zu erwarten, aber nun ist es schriftlich: Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) hat auch das von drei Berliner Bezirksämtern beantragte Forschungsprojekt zum probeweisen Verkauf von Konsumcannabis in Fachgeschäften abgelehnt. Zuvor hatte die BLE bereits einen gemeinsamen Forschungsantrag von Frankfurt und Hannover zum kontrollierten Verkauf von Konsumcannabis negativ beschieden.

Zusammen mit der Humboldt-Universität hatten die Bezirksämter Friedrichshain-Kreuzberg, Neukölln und Pankow 2024 ein Modellprojekt zum kontrollierten Verkauf von Cannabis entworfen, eine Absichtserklärung unterzeichnet und die Projektskizze eingereicht. Umgesetzt werden soll das Modellprojekt, ebenso wie das in Frankfurt und Hannover, durch die Berliner Sanity Group GmbH.

Das Unternehmen betreibt bereits in der Schweiz für ein Forschungsprojekt Cannabis-Geschäfte. Wie Sanity-Sprecherin Jennifer Plankenbühler am Freitag zur taz sagte, hat das Unternehmen beim BLE gegen sämtliche Ablehnungsbescheide Widerspruch eingelegt.

Ziel des Vorhabens ist, eine wissenschaftliche Grundlage für die Cannabispolitik zu schaffen. Teilnehmen an der Studie können nur Menschen, die in den beteiligten Bezirken gemeldet und mindestens 18 Jahre alt sind. Im Gegenzug dafür, dass sie Cannabis legal an ausgewählten Verkaufsstellen erwerben können, müssen sie aktiv an dem Forschungsprojekt mitwirken – wozu gehört, regelmäßig Angaben über das eigene Konsumverhalten und Befinden zu machen. Die Antragsteller hoffen aus den anonymisierten Daten Rückschlüsse auf Risiken, Nutzen und mögliche Schadensminderungen zu ziehen.

Angeblich keine Gesetzesgrundlage

Ihre Ablehnung begründet die BLE mehr oder weniger gleichlautend: Regional und zeitlich begrenzte Modellvorhaben seien nicht vom geltenden Konsumcannabisgesetz (KCanG) gedeckt. Für solche Projekte brauche es ein eigenes Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene. Das KCanG in seiner jetzigen Form – gemeint ist die sogenannte Säule 1 der im Frühjahr 2024 noch von der Ampelregierung beschlossenen Teillegalisierung von Cannabis – liefere keine gesetzliche Grundlage für die Erteilung einer Erlaubnis. Das beantragte Vorhaben sei im Kern als Modellprojekt der sogenannten Säule 2 einzuordnen, meint das BLE.

Diese Einschätzung wird von antragstellenden Projektpartnern nicht geteilt. Finn Hänsel, Geschäftsführer der Sanity Group, verwies am Freitag gegenüber der taz auf ein von dem Unternehmen in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten. „Wir haben die rechtlichen Grundlagen unseres Antrags sehr sorgfältig prüfen lassen und zusätzlich durch ein externes juristisches Gutachten absichern können.“ Das komme „zu dem klaren Ergebnis“, dass die Forschungsklausel der Säule 1 des KCanG eine rechtlich tragfähige Genehmigungsgrundlage für wissenschaftlich konzipierte Konsumcannabis-Pilotprojekte darstelle. Das Gutachten sei der BLE bereits im Verlauf des Prüfverfahrens zur Verfügung gestellt worden.

Selbst CDU-Stadtrat dafür

In einer gemeinsamen Presseerklärung mit dem Bezirksamt Neukölln bezeichnete Clara Herrmann, grüne Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, die Begründung der BLE als „vollkommen absurd.“ Die Ampelregierung hätte Nägel mit Köpfen machen müssen, so Herrmann am Freitag. Nun ignoriere die CDU-SPD-Bundesregierung die Gesetzeslage und lehne das Modellprojekt aus fadenscheinigen Gründen ab. Das Modellprojekt hätte eine wirkungsvolle Maßnahme werden können, um den Schwarzmarkt mit Cannabis zurückzudrängen und den Gesundheitsschutz zu verbessern, glaubt Herrmann.

Hannes Rehfeldt, CDU-Stadtrat für Soziales und Gesundheit in Neukölln, bekräftigte das: Es brauche keine zweite Säule, um Forschung zu ermöglichen. Die BLE ignoriere dabei die Auswirkungen der weitgehenden Cannabis-Legalisierung auf den Alltag und verschließe die Augen vor dem dringenden wissenschaftlichen Bedarf, das Konsumverhalten zu erforschen.

Gegenüber der taz hatte der CDU-Stadtrat die Beteiligung Neuköllns an dem Modellversuch Anfang des Jahres so begründet: Er erhoffe sich davon Daten, die anderweitig kaum zu erlangen seien. „Wir raten jedem ab, zu konsumieren“, so Rehfeldt, „aber wenn er das tut, soll er das möglichst ungefährlich tun.“ Also in lizenzierten Fachgeschäften einkaufen und nicht auf „das gepanschte Zeug von der Straße“ angewiesen sein.

Am 26. September von der taz um einen Zwischenstand gebeten, hatte die BLE mitgeteilt, bei ihr seien 64 Anträge auf Forschungsvorhaben eingangen, davon seien 36 Modellprojekte. 19 Ablehnungsbescheide zu insgesamt sieben Forschungsvorhaben seien verschickt worden, Erlaubnisse habe die BLE bisher nicht erteilt. Eine grundsätzliche Linie „gibt es nicht“. Jeder Antrag werde formell und materiell geprüft und beschieden.

Bei der Nicht-Linie ist es offensichtlich geblieben.

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