piwik no script img

Call A ReporterJemenitisches Ratespiel

Junge Männer besetzen die jemenitische Botschaft und schweigen dazu. Aber warum? Der Versuch einer Kontaktaufnahme.

Die jemenitische Hauptstadt Sanaa. Berlin ist weit weg. Bild: dpa

Ein Dutzend junger Männer sitzt zusammengepfercht wie bei einer Geiselnahme auf dem Boden des Empfangsraumes der jemenitischen Botschaft in der Budapester Straße. Seite an Seite lehnen sie an den grauen Steinwänden, Papierbänder mit arabischen Schriftzeichen verdecken ihre Münder. Aus großen braunen Augen sehen sie mich an, als ich eintrete. Offensichtlich demonstrieren sie für etwas, wollen Aufmerksamkeit erregen. Aus Jux und Tollerei werden sie die Räume der Diplomaten nicht besetzt haben. Aber was wollen sie? Kein Wort.

Stattdessen zeigen sie auf eine offene Tür, hinter der eine weitere Gruppe Männer die Köpfe zusammensteckt. Einer tritt heraus, mit leichtem arabischem Akzent fragt er: „Was wollen Sie? Wer hat Sie geschickt?“ Den Namen, den ich nenne, kenne er nicht. Folglich wolle er nichts sagen. „Falls doch, rufen wir an.“

Am Vorabend war eine Email mit der Bitte, uns dem Thema anzunehmen, in der Redaktion eingegangen. Der mysteriöse Verfasser, der weder den Besetzern bekannt ist noch an sein Handy geht, beschrieb die Lage so: Die Studierenden aus dem Jemen, „die meist aus ärmeren Familien stammen“, wollten auf die zu niedrigen Stipendien aufmerksam machen, die die jemenitische Botschaft den Jungakademikern bezahle. 420 Euro seien viel zu wenig, um zu wohnen, zu essen, Sprachkurse zu bezahlen und natürlich zu studieren.

Als Grund für eine Besetzung würde das einleuchten. Aber warum will dann offiziell niemand etwas dazu sagen? Und wer hat die taz informiert? Gibt es einen Maulwurf? Ein Mitarbeiter der Botschaft sitzt hinter seinem Pult. „Besetzung? Nein, nein, hier gibt’s überhaupt nix“, sagt er, während sich die jungen Männer um ihn herum häuslich eingerichtet haben. Lebensmittel und volle Müllsäcke zeugen davon, dass die Räumlichkeiten offensichtlich seit einigen Tagen – laut der seltsamen Email seit Montag, 12 Uhr – als Wohnraum genutzt werden.

Am Donnerstagabend ist per Telefon wieder nur der Rezeptionist zu erreichen: Ob es ein Statement der Pressestelle der Botschaft zur Besetzung gebe? „Alle daheim.“ Was er über die Besetzung wisse? „Alle weg, nicht mehr da.“ Dann legt er auf.

Während die Diplomaten in Berlin nichts sagen wollen, können sie es in Frankfurt und Hamburg nicht: Die jemenitischen Konsulate dort haben gar nicht mitbekommen, was in Berlin abgeht.

Und die Besetzer selbst: Würden sie nicht profitieren von ein wenig medialer Aufmerksamkeit für ihr Anliegen?

Freitagmittag klingelt endlich das Telefon in der taz, ein Mann, der sich als Besetzer ausgibt, ist am Apparat: „Wir würden jetzt mit Ihnen sprechen“, sagt er. „Die Botschaft möchte uns rauswerfen. Sie überlegen, die Polizei zu rufen und das Haus räumen zu lassen.“ Welche Forderungen die Protestierer gestellt hätten, frage ich. Rauschen, Verbindung unterbrochen. Ich rufe zurück, doch anstatt vom Leid jemenitischer Gaststudenten zu erfahren, heißt mich einmal mehr nur die freundlich virtuelle Dame eines Mobilfunkbetreibers willkommen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • K
    kareem

    Es geht darum, dass wir 400€ monatlich bekommen.

    Man darf als ausländer in deutschland nicht studieren, wenn der monatliche Einkommen weniger als 700€ ist.

    Würden die Unies das raus bekommen, werden sie uns exmatrikulieren und das wollen wir nicht.

    Die Botschaft gibt uns Dokumente, die wir bei den Unies, Krankenversicherung und die Ausländerbehörde voliegen, die besagen, dass wir monatlich 700€ bekommen, was nicht wahr ist.

    Die deutsche Botschaft in Sanaa kennt das Problem und schweigt.

    Wir leben unter katastrophalen Bedingungen.

    Die Studenten wollten vor der deutschen Presse schweigen, weil Ihnen vorgeworfen wird, dass sie mit ihren Protesten nur den Ruf des Landes schaden