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Archiv-Artikel

daumenkino „Cabin Fever“

Genrefans waren enttäuscht. Den Remakes zweier Klassiker des Horrorfilms der Siebzigerjahre, die in diesem Jahr in die deutschen Kinos kamen, fehlte weitgehend das verstörende Potenzial der Originale. Vielleicht waren sie einfach zu teuer produziert: „Texas Chainsaw Massacre“ versuchte, mit körnigen, ausgebleichten Bildern darüber hinwegzutäuschen, „Dawn of the Dead“ mit bösem Humor, sich den Mitternachtsklassikern anzunähern. Doch der Glanz Hollywoods lässt sich eben nicht so leicht korrodieren.

„And the road leads to nowhere …“, nur kurz hört man einen Song aus dem Autoradio, als fünf junge Leute irgendwo in den amerikanischen Südstaaten aus ihrem Pick-up-Truck steigen. Sie wollen in einem kleinen Laden am Wegesrand Proviant für ihren Ausflug zu einem einsamen Ferienhaus in den Wäldern einkaufen. Dass der Trip nicht gut enden wird, dürfte Genrekennern schon nach dieser Anfangsszene klar sein. Denn der so harmonisch-friedliche Song aus dem Autoradio stammt aus dem Soundtrack zu Wes Cravens Debütfilm „Last House on the Left“ aus dem Jahr 1972.

Auch wenn nur ein paar Nebenfiguren direkt von dem Film inspiriert sind und der Plot von „Cabin Fever“ wenig mit dessen Rape-Revenge-Geschichte gemein hat, so trifft er dessen Stimmung weit genauer als die beiden oben genannten Remakes ihrer direkten Vorlagen. Was bei beiden Filmen besonders verstört, ist, wie die Brutalität immer wieder unterbrochen wird von harmlosen Albernheiten, die wohl als comic relief funktionieren sollen, aber eher eine nachhaltige Verwirrung des moralischen Kompasses der Filmemacher vermuten lassen.

Von den implantatgestärkten Brüsten einer der Hauptdarstellerinnen bis zu ausgedehnten Bluthustenorgien, der Exzess setzt in „Cabin Fever“ die Maßstäbe. Es ist eine Logik der Addition, die den Film vorantreibt. So müssen sich die fünf Ausflügler nicht nur gegen tumbe Hillbillys behaupten, sondern werden auch noch von einem fiesen Blutervirus heimgesucht.

Machte diese gleichzeitige Bedrohung von innen und außen etwa bei Danny Boyles „28 Days Later“ noch Sinn, so ist sie hier lediglich der Vermehrung der Schockmomente geschuldet. Im Gegensatz zur Mehrzahl der Genreware, die etwa bei den alljährlichen Fantasy-Filmfesten durch Deutschland tourt, vermögen diese allerdings tatsächlich nachhaltig zu beeindrucken. Für Genrefans ein Fest, für den Rest wohl eher eine Tortur.

SVEN VON REDEN