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Archiv-Artikel

Cabertas Kampf

Die Hamburger Senatsangestellte Ursula Caberta ist Deutschlands führende Scientology-Kritikerin. Sie will die Psychosekte verbieten lassen. Doch wenn sich die Innenminister kommende Woche zu ihrer Herbstkonferenz treffen, werden sie sich wohl damit begnügen, Scientology weiter vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Für ein Verbot liegen nicht genug Beweise vor. Besichtigung eines Frontverlaufs

Das ist Scientology

Scientology wurde von dem amerikanischen Science-Fiction Autor L. Ron Hubbard gegründet, die erste so genannte Kirche eröffnete 1954 in Los Angeles. Scientology zufolge hat Hubbard seine Lehre in über 5.000 Schriften und über 3.000 Tonbandvorträgen niedergelegt. Das „spirituelle Zentrum“ der Sekte soll sich in Clearwater, Florida befinden. Aussteiger berichten dagegen, das Scientology-Hauptquartier befinde sich in Los Angeles. Scientology propagiert die „geistige Verbesserung“ des Menschen, die durch so genannte Auditings erreicht werden soll. Das sind Sitzungen, in denen die psychischen Blockaden aufgelöst werden sollen, die die unsterbliche Seele, den „Thetan“, an seiner Befreiung hindern. Dabei wird der E-Meter verwendet, ein Apparat, der ähnlich einem Lügendetektor den Hautwiderstand misst. Die Kritik an Scientology geht in zwei Richtungen. Der erste Vorwurf ist, Scientology sei keine Religion, sondern ein Wirtschaftsunternehmen. Eine genaue Preisliste für die Kurse ist nicht bekannt. Aussteiger berichten von fünfstelligen Euro-Beträgen, die sie in ihre Vervollkommnung investiert hätten. Der zweite Vorwurf ist jünger und besagt, Scientology sei eine verfassungsfeindliche Organisation. Scientologen sprechen davon, „den Planeten klären“ zu wollen („to clear up the planet“). Ihre Kritiker weisen darauf hin, dass es in den Schriften Hubbards Überlegungen gebe, „Kriminellen“, sollte der Planet dereinst geklärt sein, die Bürgerrechte zu entziehen. WIE

VON DANIEL WIESE

Es ist ein guter Tag für Ursula Caberta. Hamburgs oberste Sektenjägerin steht im Festsaal der Handwerkskammer, hohe Decken, vor den Fenstern des Parks „Planten und Bloomen“. „Issa wieder weg?“, fragt Caberta. „Ja“, sagt der junge Mann, der vermutlich einer von Cabertas Referenten ist. „Dann is ja gut“, sagt Caberta.

Er, das ist Frank Busch, Pressesprecher von Scientology in Hamburg und damit Cabertas Hauptgegner vor Ort. Busch hat versucht, Einlass zu der Anti-Scientology-Konferenz in der Handwerkskammer zu erhalten, zu der Aussteiger der Sekte eigens aus den USA angereist sind. Doch eine Einladung konnte Busch nicht vorweisen. „Die Scientology-Leute haben die leider zu spät beantragt“, sagt Caberta und lacht.

Bei der Pressekonferenz am Morgen war sie deutlicher geworden. „Wenn Sie über Drogen diskutieren, holen Sie sich auch keinen Dealer auf das Podium“, hatte Caberta gesagt. Scientology hatte versucht, sich aufs Podium der Konferenz zu klagen, ohne Erfolg. Und so steht die kleine Schar Scientologen, von Polizisten beobachtet, verloren vor dem großen Handwerkskammer-Gebäude und hält Transparente hoch, während drinnen Larry Brennan, ein beleibter ehemaliger Scientology-Anwalt aus Los Angeles, vor der Machtergreifung durch Scientology warnt: „Sie wollen die Kontrolle übernehmen“, ruft Brennan mit gerötetem Gesicht.

Seit 1992 leitet Ursula Caberta, ehemals SPD-Abgeordnete in der Hamburgischen Bürgerschaft, die „Arbeitsgruppe Scientology“ der Hamburger Innenbehörde. Sie gilt als Expertin, letztes Jahr stellte sie mit dem damaligen Hamburger Innensenator Udo Nagel ihr „Schwarzbuch Scientology“ vor. „Ich habe lange geglaubt, es würde reichen, über Scientology aufzuklären“, sagt sie. „Doch das reicht nicht.“ Scientology müsse verboten werden.

Zum Gespräch in ihrer Dienststelle trägt Caberta ein langes, wallendes Kleid, ihre Justiziarin sitzt mit am Tisch und wühlt sich durch Stapel von Gerichtsakten. Sie habe, sagt Caberta, inzwischen etwas den Überblick verloren bei den vielen Verfahren. Meist ging es darum, was Caberta über Scientology sagen darf und was nicht. Das Prozessieren sei eine Strategie von Scientology, sagt Caberta. Sektengründer L. Ron Hubbard habe sinngemäß gesagt, man müsse die Gerichte benutzen, „um den Gegner zu zermürben“.

Auf Youtube kursiert ein Video, in dem Ursula Caberta bei einem Besuch in Clearwater, Florida zu sehen ist. Aufgebrachte Menschen belagern die Eingangshalle des Flughafens und als Caberta erscheint, schreien sie: „Nazi Criminal, go back to Germany!“– „Hey, we like freedom of religion“, sagt eine rosa gekleidete Frau und winkt in die Kamera. „Ein Killer bist du, du bringst Leute um“, ruft auf Deutsch eine Stimme aus dem Off. Die Atmosphäre ist hitzig, die Kamera schwankt, Sicherheitsbeamte geleiten Caberta zu einer Rolltreppe. Sie dreht sich um, schüttelt den Kopf und lacht – ob verwundert oder missbilligend, lässt sich auf dem Video nicht erkennen.

Frank Busch, der Scientology-Sprecher in Hamburg, versucht ruhig zu bleiben, als der Name Caberta fällt. „Wir haben uns mal die Hand gegeben“, sagt er, „das war bei einer Verhandlung in Münster“. Bei der Verhandlung ging es darum, ob Scientology vom Verfassungsschutz beobachtet werden darf. Das Gericht entschied gegen Scientology. Es gebe „tatsächliche Anhaltspunkte, dass in einer Gesellschaft nach scientologischen Vorstellungen die Wahrung der Menschenwürde und des Gleichbehandlungsgebots nicht gewährleistet sind“. Ginge es nach Scientology, würden Bürgerrechte nur für Scientologen gelten. Das gehe aus den Schriften Hubbards hervor, auf die sich die Sekte berufe.

Busch, ein hochgewachsener, korrekt gekleideter Mann von Mitte Vierzig, sitzt im Empfangsraum der Hamburger Scientology-Zentrale. An den Wänden getäfeltes Holz, vor sich hat Busch Schriften von L. Ron Hubbard liegen. Ursula Caberta habe 91 Strafanzeigen gegen Scientology gestellt. „Ich möchte nur den Eindruck zerstreuen, wir seien prozesswütig.“

Wenn Busch über Scientology spricht, spricht er nicht von der Machtergreifung, sondern vom „Erlösungsweg“, der über die Stufe des „Clears“ zum „Operierenden Thetan“ führt. Ein Thetan hat sich frei gemacht von dem Ballast, der die Menschen bremst, er ist Herr über Materie, Energie, Raum und Zeit. Um auf diese Stufe zu gelangen, müssen Scientologen so genannte „Auditings“ absolvieren, in denen die Hindernisse für die Selbstvervollkommnung ausgeräumt werden. Der bekannteste Operierende Thetan ist derzeit wahrscheinlich Tom Cruise. Frank Busch dagegen sagt, er sei noch nicht mal ein Clear. „Ich befinde mich auf einer Vorstufe.“

Scientology strebe keineswegs die Weltherrschaft an, sagt Busch. Wenn Scientologen sagten, sie wollten „den Planeten klären“, heiße das nicht, dass alle Menschen Scientologen werden sollten, sondern dass es „eine Zivilisation ohne Verbrechen und ohne Krieg“ gebe. Dazu könne Scientology beitragen, mittels der von L. Ron Hubbard entwickelten Bewusstseinstechnologie.

An der Wand der Hamburger „Org“, wie Scientologen ihre Niederlassungen nennen, hängt ein Organigramm, auf dem auch Frank Busch verzeichnet ist. Er ist dem OSA unterstellt, dem „Office for Special Affairs“. In den weit verzweigten Gängen grüßen ihn die Leute, in der Bibliothek schauen sie aus ihren Büchern hoch. Es sind alles Ausgaben der Schriften von L. Ron Hubbard, des Sektengründers, bis auf ein paar Lexika stehen die Regale und Wände voll mit diesen Schriften.

Es gibt in der Hamburger Org sogar einen Raum, der „Das Büro von L. Ron Hubbard“ heißt. Es ist voll eingerichtet, als warte es darauf, dass der Sektengründer zurückkehre. „Diesen Raum gibt es in jeder Org“, sagt Busch. Die Fahrstuhltür geht auf, eine Frau tritt herein. „Darf ich vorstellen, meine Ehefrau.“ Busch lächelt. Auch seine Ehefrau arbeitet in der Hamburger Org.

Derselbe Frank Busch steht bei der Anti-Scientologen-Konferenz vor der Handwerkskammer und verteilt Broschüren, die Ursula Caberta und ihre Gäste aus den USA attackieren. Caberta betreibe „Amtsmissbrauch in Serie“, steht dort. Die amerikanischen Aussteiger werden als Leute beschrieben, die bei Scientology „die Tätigkeit eines Produktionsassistenten und Fließbandarbeiters“ ausgeübt, aber „bei diesen Tätigkeiten versagt“ hätten. Oder sie werden wie der aus Serien wie „Cane“ und „CSI“ bekannte Schauspieler Jason Beghe als „ehemaliger Schauspieler einer Fernsehserie“ bezeichnet, über den eine Zeitung kürzlich geschrieben habe, er sei der „Schauspieler, an den Sie sich wahrscheinlich nicht erinnern“.

Scientology sei keine Religion, sondern eine „politische Organisation“, sagt Caberta. Einwände bügelt sie nieder. „Jetzt hören Sie mal zu“, sagt sie dann. Oder: „Jetzt halten Sie mal für fünf Minuten die Klappe“, so geschehen in der Talkshow „Menschen bei Maischberger“, als Fernsehpfarrer Jürgen Fliege sich um Verständnis für ein ehemaliges Scientology-Paar aus Hamburg bemühte. In solchen Situationen arbeitet es in Caberta. Sie verzieht das Gesicht, schneidet Grimassen, wendet unwillig den Kopf zur Seite, als könne sie dieses unqualifizierte Gerede nicht mehr ertragen.

Scientology habe Verbrechen begangen, sagte sie bei Maischberger. Dafür habe sie Beweise. Welche, sagte sie allerdings nicht. Als sie letztes Jahr ihr „Schwarzbuch Scientology“ vorstellte, sprach sie davon, bei Scientology werde „der Mensch zum Rädchen im Getriebe“.

Für ein Verbot dürfte das kaum reichen, das sieht derzeit auch der Verfassungsschutz so. In einer vom Spiegel veröffentlichten vertraulichen Notiz erklärten die Geheimdienstler, sie hätten keine von Scientology begangenen Straftaten entdecken können. Auch lasse sich nicht belegen, dass die Organisation „die Überwindung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland aggressiv-kämpferisch verwirklichen will“.

Inzwischen ist fraglich, ob die Innenminister der Länder, wenn sie sich kommende Woche zu ihrer Herbsttagung treffen, wie geplant ein Verbotsverfahren gegen Scientology beantragen werden. Selbst der Hamburger Innensenator will die Diskussion abwarten, berichtete der Spiegel. Caberta wäre freilich nicht sie selbst, wenn sie sich davon beeindrucken ließe. Sie habe einen langen Atem, sagte sie dem Nachrichtenmagazin, und: „Ich werde weiter Material sammeln.“

Wie es aussieht, wird sie dazu auch weiter Gelegenheit haben. „Wir werden uns in keiner Weise davon abhalten lassen, über die Gefahren, die von Scientology ausgehen, zu informieren“, sagte der für Caberta zuständige Staatsrat der Innenbehörde, Stefan Schulz, bei der Anti-Scientology-Konferenz in der Handwerkskammer. „Und Frau Caberta bleibt auch dran.“