CSU-Klausur in Kreuth: Krawall in Berlin, Demut in München
Mit einer Doppelstrategie will CSU-Parteichef Horst Seehofer den Niedergang der Christsozialen stoppen. Und sprach sich fix schon mal für eine Koalition mit der FDP aus.
WILDBAD KREUTH taz Nachdem die Christsozialen jahrelang nur wie getrieben wirkten, wollen sie jetzt endlich wieder die Ersten sein. Früher als alle anderen Parteien trafen sie auf ihrer Klausurtagung in Wildbad Kreuth eine Koalitionsaussage. "Wir wollen mit der FDP nach der Bundestagswahl die neue Bundesregierung stellen", sagte Parteichef Horst Seehofer am Donnerstag. Der Politiker, der zuletzt vor einer allzu großen Nähe zur FDP gewarnt hatte, begründete das unter anderem mit der guten Zusammenarbeit in der neuen bayerischen Landesregierung: "Das läuft bei uns."
Damit eignet sich die Koalitionsfrage bestens zur Illustration jener Doppelstrategie, mit der die CSU ihren Niedergang stoppen will. Zu diesem Zweck verfolgt sie auf Bundesebene eine Konfrontationsstrategie, zu der auch die koalitionspolitische Absage an die große Koalition bestens passt. In Bayern ist dagegen Demut angesagt. Da kann ein Bekenntnis zu jener Koalition nicht schaden, zu der die bayerischen Wähler die CSU in voller Absicht verurteilt haben. Selbst die eigenen Anhänger finden den neuen Bündniszwang mehrheitlich gut, wie der Mannheimer Wahlforscher Matthias Jung den 46 Bundestagsabgeordneten der Partei in Kreuth erläuterte.
Zum Sticheln in Richtung Berlin gehört, dass sich Seehofer vor der Koalitionsrunde am Montag erneut für deutliche Steuersenkungen aussprach. Die SPD hat sich bislang nur zu einer Anhebung des Grundfreibetrags bei der Einkommensteuer bereit erklärt. Eine solche Entlastung um lediglich zwei Milliarden Euro bezeichnete Seehofer in Kreuth jedoch als "nicht vorzeigbar". Die CSU wünscht einen Nachlass von zehn Milliarden Euro und ist im Gegenzug zu einer steuerfinanzierten Senkung der Krankenkassenbeiträge bereit, was weitere zehn Milliarden Euro kosten würde. Bei dem geplanten Umfang des Konjunkturpakets von 25 Milliarden Euro pro Jahr blieben für zusätzliche Investitionen nur noch fünf Milliarden Euro übrig.
Darüber hinaus sprach sich Seehofer für den Vorschlag des NRW-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers aus, die deutsche Industrie mit einem staatlichen Rettungsschirm aus ihrer Kreditklemme zu befreien. "Wir unterstützen den Deutschlandsfonds mit 100 Milliarden", sagte der CSU-Vorsitzende. Eine direkte staatliche Kreditvergabe an Unternehmen stieß jedoch bei der SPD auf Skepsis. "Ein solcher Fonds wird nicht kommen", sagte deren Finanzminister Peer Steinbrück. Für erweiterte Bürgschaften zeigte er sich jedoch offen.
Zugleich bekräftigte Seehofer das Kompliment, das er Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach deren Einknicken im Steuerstreit ausgesprochen hatte. "Dass sie unser größter Trumpf ist, das ist ja völlig unbestritten." Doch schien die Vorsitzende der Schwesterpartei über Seehofers Vorpreschen in der Koalitionsfrage wenig erfreut zu sein. Die Berliner Parteizentrale wies eilig darauf hin, dass sich auch CDU-Politiker stets für ein solches Bündnis ausgesprochen hätten.
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