CO2-Speicherung: Norddeutsches Becken freut Geologen
Nirgends in Deutschland ließe sich Kohlendioxid besser in den Boden pressen als im Nordwesten von Niedersachsen und unter der Nordsee. Die betroffenen Länder würden dabei gerne mitreden.
HAMBURG taz | Nicht in Schleswig-Holstein, sondern in Niedersachsen sind die Möglichkeiten am besten, unterirdisch Kohlendioxid (CO2) unterzubringen. Das hat eine Analyse der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) ergeben, deren Veröffentlichung die Umweltorganisation Greenpeace erstritten hat (taz berichtete). Das meiste Treibhausgas ließe sich nach Maßgabe der Geologie in Ostfriesland, der Wesermarsch und unter der Nordsee unterbringen. Aber auch Orte wie die Insel Spiekeroog oder Hamburg kämen infrage. Die Skepsis in den betroffenen Regionen ist groß.
Werden Kohle, Erdöl oder Gas verbrannt, wird CO2 frei. Das Gas bewirkt, dass weniger Sonnenenergie aus der Erdatmosphäre abgegeben wird, als zuvor hereinkam, weshalb sich das Klima erwärmt. Die schwarz-gelbe Bundesregierung möchte das mit einer Klimaschutzstrategie verhindern, zu der es gehört, CO2 aus dem Abgas von Kraftwerken abzuscheiden und unterirdisch zu lagern - auf Englisch: "Carbon Capture and Storage" (CCS).
Diese Technik wird auch in Deutschland schon in kleinem Rahmen eingesetzt. Ob sie als ausreichend erprobt gelten darf, ist aber umstritten. Außerdem ist der Streit um die Technik ein Teil des Kampfes um den künftigen Weg in der Energiepolitik. Wer dafür ist, komplett auf erneuerbare Energien umzusteigen, bekämpft CCS als Methode, die Laufzeit der Kraftwerke mit fossilen Brennstoffen zu verlängern. "Dieser Weg führt mit der Atomkraft in die energiepolitische Steinzeit", sagt etwa Bernd Voß, Grünen-Landtagsabgeordneter in Schleswig-Holstein.
Das meiste CO2 könnte hier gespeichert werden. Dabei handelt es sich um maximale Schätzwerte:
Wesermarsch: Jericho, 450 Millionen Tonnen; Brake, 304 Mio.
Ostfriesland: Uplengen, 661 Millionen Tonnen; Emden/Leer, 72 Mio.; Südbrookmerland, 107 Mio.; Insel Spiekeroog, 222 Mio.
Hamburg: Billstedt, 64 Millionen.
Heide: Bad Bevensen, 108 Millionen Tonnen; Sittensen/Heidenau, 310 Mio.
Nordsee: In der deutschen Bucht gibt es eine Vielzahl von namenlosen Standorten.
Im nördlichsten Bundesland gab es den meisten Widerstand gegen CCS, weil der Energiekonzern Eon dort bereits konkrete Projekte vorstellte: CO2 aus großen nordrhein-westfälischen Kohlekraftwerken sollte im Norden in den Boden gepresst werden. Der Ärger aus den Gemeinden war so groß, dass sich die CDU-geführte Landesregierung gegen die Technik aussprach und im November 2010 ein entsprechendes Bundesgesetz verhinderte. Jetzt wird neu verhandelt.
"Das ist eine Technologie, die auf Vorbehalte in der Bevölkerung trifft", sagt auch Christian Budde, der Sprecher des niedersächsischen Wirtschaftsministers Jörg Bode (FDP). "Von daher wünschen wir uns ein stärkeres Mitspracherecht der Länder." Verhandelt wird darüber, wie dieses Mitspracherecht aussehen soll.
Der Landkreis Leer in Ostfriesland, in dem die Geologen eines der größten Speicherpotenziale entdeckten, hat die Speicherung 2009 schon einmal abgelehnt, so Kreis-Sprecher Dieter Backer: "Wir werden unsere Bedenken aufrecht erhalten." Zum einen sei die CCS-Technik nicht ausreichend erprobt, zum anderen reichten die Speicherkapazitäten ohnehin nur für acht bis zehn Jahre.
Die BGR weckt mit ihren Zahlen indes ganz andere Hoffnungen: Würde das Treibhausgas nicht nur in leer gesaugte Erdgas- und Erdöl-Lagerstätten gepumpt, sondern auch in Salzwasser führende Gesteinsschichten, reichten die Speicherkapazitäten rechnerisch viel länger. Allerdings weist die BGR auch darauf hin, dass sie allein die geologische Eignung von Speicherorten geprüft habe, die nun bekannt gewordene Liste also vorläufig sei. Das eigentliche "Speicher-Kataster Deutschland", in das weitere Informationen einfließen sollen, werde noch in diesem Jahr veröffentlicht.
Ob und wie der Kreis ein CO2-Lager verhindern könne, hänge vom künftigen CCS-Gesetz ab, sagt Backer. Der Landkreistag, die Interessenvertretung der Kreise, sei gebeten worden, sich in das Gesetzgebungsverfahren einzumischen. Einstweilen sei die Ablehnung durch den Kreis nur nur eine politische Aussage, keine rechtliche Würdigung.
Mehr zu sagen hat Christoph Ahlhaus (CDU): Er könne sich eine Speicherung in Hamburg nicht vorstellen, ließ der dortige Erste Bürgermeister ausrichten.
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