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Archiv-Artikel

CHRISTIAN RATH ÜBER DAS STEUERRECHT UND DIE AMNESTIEDEBATTE Selbstanzeige für alle!

Das gibt es nur im Steuerrecht: Wer eine kriminelle Tat Jahre später gesteht und den Schaden wiedergutmacht, wird nicht bestraft. Das Mittel nennt sich „strafbefreiende Selbstanzeige“ und steht nach der Nutzung durch Bayern-Präsident Uli Hoeneß jetzt – völlig zu Recht – wieder im Kreuzfeuer. Denn es ist eine einseitige Bevorzugung der Reichen.

Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt, betonen derzeit wieder Politiker aller Parteien. Es drohen Strafen bis zu zehn Jahren Haft. Wer mehr als eine Million Euro hinterzogen hat, muss grundsätzlich ins Gefängnis, Bewährung ist dann ausgeschlossen. Wer aber rechtzeitig alles dem Fiskus meldet, geht völlig straflos aus. Wie soll das zusammengehen? Solange es die strafbefreiende Selbstanzeige gibt, wird Steuerhinterziehung immer als relativ harmloses Delikt angesehen werden.

Auf der anderen Seite ist die Selbstanzeige ein interessantes Instrument, nicht nur weil sie das Steueraufkommen erhöht. Vielmehr ist es kriminalpolitisch ja durchaus wünschenswert, Normbefolgung durchzusetzen, ohne Leute in Gefängnisse zu stecken, wo sie meist keine besseren Menschen werden. Wichtiger als eine drakonische Strafdrohung ist es ohnehin, die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung zu erhöhen.

Man sollte das Institut der Selbstanzeige deshalb eher ausweiten als abschaffen. Um die bisherige soziale Schieflage zu korrigieren, könnte sie zum Beispiel auch beim Sozialleistungsbetrug eingeführt werden. Warum soll der reuige Hartz-IV-Schummler die Wucht des Strafrechts spüren, während dem selbstkritischen Steuerhinterzieher der rote Teppich der Strafbefreiung ausgelegt wird. So könnte soziale Ausgewogenheit hergestellt werden, ohne ein kriminalpolitisch innovatives Instrument vorschnell auszumustern.

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