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Archiv-Artikel

CHRISTI HIMMELFAHRT BEGEHEN DIE MEISTEN MENSCHEN MIT NICHTS. ALS ERSATZ GIBT ES DEN VATERTAG, AN DEM MÄNNER ALLE HEMMUNGEN FALLEN LASSEN KÖNNEN Notprogramm für einen Feiertag

Foto: Lou Probsthayn

KATRIN SEDDIG

Am letzten Donnerstag begingen wir das schöne deutsche Fest Christi Himmelfahrt. Schon sehr lange begehe auch ich dieses schöne deutsche Fest, und ich begehe es mit nichts. Ich bin kein Christ, aber auch alle mit mir befreundeten Christen begehen diesen Tag mit nichts. Ostern wird mit Eiern begangen und Weihnachten mit Bäumen, Pfingsten, nun ja, man kann immerhin über das Wochenende verreisen. Aber dieser einsame kleine Donnerstag, auf den Himmelfahrt fällt, käme für mich mit einer völligen Bedeutungslosigkeit daher, gäbe es nicht die ebenso schöne, deutsche Tradition des Vatertages, der auf denselben Tag fällt.

Im Gegensatz zu Christi Himmelfahrt wird der Vatertag landauf, landab mit schönen Traditionen begangen. Teilnehmen darf nicht nur der Vater, auch der Mann als solches darf sich an diesem Tag feiern. Der Mann und Vater hat sich das verdient und am schönsten feiert der Mann und Vater sich selbst mit einer kleinen Alkoholvergiftung.

Wenn die Frau und Mutter sich auch nur annähernd solcher Verdienste rühmen könnte wie der Mann und Vater, würde sie sich selbst am Frauen- oder Muttertag auch mit einer kleinen Alkoholvergiftung feiern, aber die Frau und Mutter ist es sich selbst nicht wert, und wer schmiert dann die Stullen am Abend und wer hängt die Wäsche auf? Ordnung muss sein.

Traditionen sind wichtig für unser Selbstverständnis und zur Bewahrung unserer Identität, deshalb ist es eine Sauerei, dass in manchen norddeutschen Gegenden das Feiern und Trinken den verdienten Männern und Vätern auch in diesem Jahr wieder verboten worden ist. So richtete der Landkreis Goslar gar alkoholfreie Zonen ein. Und am Steinhuder Meer patrouillierte fleißig die Polizei. Viele Wiesen und Fußballplätze wurden eingezäunt, auf Schützenfesten die Gäste kontrolliert und der Wachdienst wurde verstärkt. Geht man so mit Männern und Vätern um? Wie wir alle wissen und zum Beispiel auch von Wikipedia erfahren können, dient der Vatertag „der Einweihung der Jüngeren (Männer) in die Sitten und Unsitten der Männlichkeit“.

Wenn ein Junge ein Mann werden will, muss er sich auch mal an die Gesundheits- oder Todesgrenze rantrinken können. Er muss seinen Penis auf einer freien Wiese schwenken und herumpinkeln können. Er muss ferner ein bisschen rumgrölen und jemandem etwas androhen dürfen. Dann muss entweder er sagen können, dass er jemandem aufs Maul haut oder er muss das gesagt bekommen dürfen. Er muss stinkend und verletzt nach Hause kriechen können, denn nur so wird er endlich ein Mann und Vater werden.

Ist es da einzusehen, dass solche schönen deutschen Traditionen eingeschränkt und gar verhindert werden? Was denken sich unsere norddeutschen Gemeinden dabei? Soll am Ende der Mann, so wie die Frau und Mutter, sich mit ein paar Tulpen und einer selbst gemalten Karte begnügen? Soll er an seinem Feiertage etwa noch den Abwasch machen und die Wäsche aufhängen? Oder sich um die Kinder kümmern? Soll der Vater sich etwa noch am Vatertag um die Kinder kümmern müssen?

Ein paar Aufrechte haben aber dennoch auch dieses Jahr ihren Feiertag begangen. Wie wir aus der Neuen Osnabrücker Zeitung erfahren können, haben in Wittmar bei Wolfenbüttel etwa 70 Männer und Väter die Polizei mit Flaschen und Feuerwerkskörpern beworfen und dabei ein bisschen den Hitlergruß gemacht. Spaß muss sein.

In Fulkum in Ostfriesland erhielten 48 Männer einen Platzverweis aus einem Festzelt und 28 Jugendliche mussten wegen Trunkenheit von ihren Eltern abgeholt werden. Ein fünfzehnjähriger Jungmann kam auf stolze 2,5 Promille. Es ist also noch nicht alles verloren. Der junge norddeutsche Mann wird niemals auf seinen Bollerwagen und seine Traditionen verzichten. Wir können der Zukunft froh ins Auge blicken. Katrin Seddig ist Schriftstellerin und lebt in Hamburg, ihr jüngstes Buch, „Eheroman“, erschien 2012. Am 19. Juni liest sie ab 19.30 Uhr im Hamburger Literaturhaus, Schwanenwik 38