: CDU–Leitsätze zur Genomanalyse
■ Ethik–Diskussion in der CDU beginnt / Leitsätze zur Genomanalyse vorgestellt /Rückschritt hinter die Empfehlungen der Enquetekommission / Kaum Schutz für Arbeitnehmer vorgesehen
Aus Bonn Oliver Tolmein
Gestern stellte der Vorsitzende des Bundesarbeitskreises Christlich–Demokratischer Juristen, der baden–württembergische Minister für Justiz Dr. Heinz Eyrich im Konrad–Adenauer–Haus „Leitsätze zur Genomanalyse“ vor. Die Leitsätze sind ein erstes Element für die Diskussion, die den CDU– Programmparteitag mit dem Schwerpunkt „Verantwortung für das Leben“ 1988 vorbereitet. Die Leitsätze, so Eyrich, seien notwendig, weil „kaum einmal der Mensch so durchsichtig wird, wie bei der Genomanalyse“, bei der aktuelle und zukünftige Erbkrankheiten und Krankheitsdispositionen festgestellt werden können. Das wichtigste Kriterium bei der Erarbeitung der zwölf Leitsätze sei die Wahrung der Würde des Menschen gewesen. Bei den Leitsätzen fällt auf, daß sie an einigen Stellen deutlich hinter die von Vertretern aller Parteien, (außer den Grünen, die die Genomanalyse ablehnen) beschlossenen Empfehlungen der „Enquetekommission Chancen und Risiken der Gentechnologie“ zurückfallen. Insbesondere im Bereich Genomanalyse in der Arbeitswelt sehen die christlich–demokratischen Vorstellungen an entscheidenden Punkten keinen Schutz für Arbeitnehmer vor. So soll zwar die Erhebung eines „umfassenden Persönlichkeits– und Gesundheitsprofils“ verboten werden, Krankheitsanlagen und zukünftige Krankheiten sollen aber erfasst werden können, wenn sie „arbeitsplatz– und arbeitsstoffspezifisch“ sind. Das hatte die Enquetekommission ausdrücklich ausgeschlossen. Während diese sich wenigstens ansatzweise mit dem Problem auseinandergesetzt hat, daß Arbeitnehmer bei ihrer Einstellung praktisch keine Möglichkeit haben werden, eine Genomanalyse zu verweigern, verweist der CDU–Entwurf nur allgemein auf eine „besonders abzusichernde Zustimmung des Arbeitnehmers“, die bei einer Genomanalyse für notwendig gehalten wird. Bemerkenswert ist, daß die CDU im Bereich „Pränatale Diagnostik“ im Gegensatz zu den Enquetekommissionsempfehlungen eine aktive Beratung, bei der Ärzte und Beratungsstellen von sich aus Eltern aufsuchen, nicht ausschließt. Die CDU unterscheidet drei Stufen pränataler Diagnostik: Sie sei „wünschenswert“, um „behandelbare Krankheiten festzustellen, „vertretbar, wenn sie der Feststellung einer schweren Erbkrankheit oder einer schwerwiegenden Erkrankungsdisposition dient“, und „nicht vertretbar, wenn durch sie nach genetischen Eigenschaften ohne oder mit nur leichtem Krankheitswert gesucht wird“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen