CDU will ZDF-Chefredakteur schassen: Murks in Mainz
Die Union will ihren Einfluss beim ZDF nutzen, damit der Vertrag des gefühlt roten Chefredakteurs Nikolaus Brender nicht über 2010 verlängert wird.
![](https://taz.de/picture/361334/14/13596562.jpg)
Es ist doch gut, wenn zwischendurch noch mal klargemacht wird, wem der öffentlich-rechtliche Rundfunk, allen voran das ZDF, wirklich gehört: den Parteien natürlich. In diesem Fall der Union, die zum Auftakt des vielbeschworenen Superwahljahrs ein medienpolitisches Glanzstück abliefert.
Denn die Union möchte ihren dank der Ergebnisse der letzten Landtagswahlen fast unbegrenzten Einfluss beim ZDF gern nutzen, um dessen Chefredakteur zu kegeln. Der heißt bekanntlich Nikolaus Brender und hat noch einen Vertrag bis April 2010. Es ist allerdings Usus, dass ein Jahr vorher signalisiert wird, ob es danach weitergeht. ZDF-Intendant Markus Schächter möchte auch gern verlängern, womit die Sache eigentlich klar sein sollte.
Doch dann wird via Focus lanciert, Ede Stoiber sei in das oberste ZDF-Gremium, den mit diversen Ministerpräsidenten besetzten Verwaltungsrat, "marschiert", weil er sich "ausgetrickst fühlt". Gegen Brender (60) stehe "die Abwehrfront der Unionsvertreter", schreibt das Blatt. Nun werden Spitzenpositionen bei den Öffentlich-Rechtlichen - allen Beteuerungen des Gegenteils zum Trotz - weiterhin munter nach gefühlter Parteinähe besetzt, und da gilt beim ZDF der Intendant (Schächter) als schwarz, der Chefredakteur (Brender) hingegen als rot. Der Unionsfavorit für die Nachfolge, ZDF-Hauptstadtstudio-Chef Peter Frey, ist zwar auch ein echter Roter, hat aber angeblich keine Chance bei einem anderen Roten, dem rheinland-pfälzischen Regierungschef Kurt Beck. Der wiederum ist Verwaltungsratchef beim ZDF - also alles Essig? Für den Focus schon, der im karrierebewussten WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn (das ist der, der bei Wahlen in der ARD immer die Zahlen vorlesen darf) einen passablen "Innovator" ausgemacht hat.
Das ZDF dementiert prompt: Die Personalie Brender sei bislang im Verwaltungsrat "nicht Thema" gewesen. Becks rechte Hand, Staatskanzleichef Martin Stadelmaier, sagt, es gebe auch keinesfalls ein Zerwürfnis mit Peter Frey. Die Union sei vielmehr bemüht "jeden wegzubeißen, der ihr nicht devot genug daherkommt", sagte Stadelmaier zur taz. Inoffiziell ist zu hören, dass auch nicht Stoiber, sondern Hessens Ministerpräsident Roland Koch der große Wortführer gewesen sei. Die Angst der Politik vor Brender, der seit seiner legendären Zurechtweisung von Gerhard Schröder in der Bundeswahlsendung 2005 Kultstatus genießt, muss ganz schön groß sein.
Doch was erreicht die Union? Sie desavouiert öffentlich einen der Ihren, nämlich den 2002 erst nach einem unwürdigen Politgeschacher an die ZDF-Spitze gehievten Intendanten Schächter, dem - so formuliert es ein Anstaltsmensch - "gezeigt wird, wer im ZDF wirklich das Sagen hat". Sollte es Koch & Co tatsächlich gelingen, Brender abzustechen, bliebe der zumindest bis 2010 im Amt - und dürfte sich keinesfalls resigniert aufs Altenteil zurückziehen: "Der schmeißt doch nicht hin", heißt es im ZDF: "Im Gegenteil: Der dreht dann erst richtig auf." Und was wäre, wenn wirklich Peter Frey ab 2010 neuer ZDF-Chefredakteur wird? Dann würde im ZDF-Hauptstadtstudio Peter Hahne nachrücken - das kann nun wirklich keiner wollen.
Auf die Union ist also weiter Verlass. Sie macht keine Medienpolitik. Sondern Murks.
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