: CDU will Kita-Pflicht
Schulexpertin will alle Vierjährigen beim Kinderarzt zum Sprachtest schicken. Als Pflicht. Wer für die Schule nicht ausreichend Deutsch spricht, muss in die Kita
Vor drei Monaten hat der SPD-Jugendpolitiker Karlheinz Nolte damit für Furore gesorgt, mit etwas Verspätung ist die CDU auf das Thema aufgesprungen: Jetzt fordern auch die Christdemokraten eine Kitapflicht für alle Kinder, deren Deutschkenntnisse für den Schulbeginn nicht ausreichen. „Für diese Kinder müsste die Kita verbindlich sein“, sagte gestern Katrin Schultze-Berndt, die schulpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion.
Nach ihren Vorstellungen sollten alle Vierjährigen einen verbindlichen und standardisierten Sprachtest absolvieren. Und zwar beim Kinderarzt. „Im Alter von vier Jahren ist die Entwicklungsstandsuntersuchung U8 vorgesehen“, sagte Schultze-Berndt. „Der Kinderarzt könnte dann auch den Test durchführen.“ Dass die Vorsorgeuntersuchungen freiwillig sind und Kinderärzte für solche Tests nicht ausgebildet, sind für die CDU-Politikerin keine Hindernisse: „Das müsste man eben ändern.“
Die Kinder, bei denen ein Deutschdefizit festgestellt wird, sollen dann mit viereinhalb Jahren zum einjährigen Kitabesuch verpflichtet werden. Ab 2005 wird in Berlin mit fünfeinhalb eingeschult.
Die CDU richtet sich damit gegen eine Neuerung von Bildungssenator Klaus Böger (SPD), die ab dem neuen Schuljahr gilt. Künftig werden im Zuge der Schulanmeldungen im November nur noch die Deutschkenntnisse der Kinder getestet, bei denen ein Defizit vermutet wird. Bestätigt sich der Verdacht, müssen sie an einem Sprachkurs teilnehmen, der ein halbes Jahr läuft und täglich zwei Stunden umfasst. „Das reicht nicht“, meint Schultze-Berndt.
Der Bildungssenator ist gegen eine Kitapflicht und außerdem davon überzeugt, dass sie rechtlich nicht zulässig ist. „Aber wir prüfen das derzeit.“ Die Grünen halten „die Debatte für überflüssig“, so Fachfrau Elfi Jantzen. „Man sollte lieber dieses hochkomplizierte Antragsverfahren vereinfachen und das letzte Kitajahr kostenfrei machen.“ Die FDP fordert seit langem eine verbindliche und kostenfreie „Starterklasse“ für alle. „Da kann gezielt gefördert werden“, so Bildungsexpertin Mieke Senftleben.
In der Tat erfasst die Kitapflicht nicht den Kern des Problems. Denn nach Angaben der Bildungsverwaltung haben 96 Prozent der Erstklässler eine vorschulische Einrichtung besucht. Bei den Kindern nichtdeutscher Herkunft lag die Quote bei 94,2 Prozent. Das Problem: Ein Kitabesuch garantiert – für Kinder deutscher und nichtdeutscher Herkunft – noch keine guten Deutschkenntnisse. Das haben die Bärenstark-Sprachtests in den vergangenen Jahren eindeutig unter Beweis gestellt. Danach brauchen 80 Prozent der Berliner Schulanfänger nichtdeutscher Herkunft und 28 Prozent der deutschen Kids eine Sprachförderung – und die meisten von ihnen haben eine vorschulische Einrichtung besucht.
Dringender als eine Debatte um die Kitapflicht ist also eine Verbesserung der Sprachförderung in den Kindertagesstätten.
SABINE AM ORDE