CDU nach der NRW-Wahl: Es wackeln die Wände
Damit haben selbst eingefleischte Christdemokraten nicht gerechnet. Ihr Spitzenkandidat Armin Laschet hat die Landtagswahl gewonnen.
Schon morgens hatte sich Laschet zuversichtlich gezeigt. Begleitet von seiner Frau Susanne und seinen beiden Söhnen gab er in einem Aachener Wahllokal seine Stimme ab. „Es gibt eine reale Chance, dass wir gewinnen können“, sagte er. Noch bis vor wenigen Wochen wäre er für eine solche Aussage ausgelacht worden. Kaum jemand traute ihm zu, SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft schlagen zu können.
Auf dem Höhepunkt des Schulz-Hypes betrug der Rückstand der CDU auf die SPD bis zu 14 Prozentpunkte – kaum aufholbar, wie es schien. Doch mit den Unionserfolgen im Saarland und vor einer Woche in Schleswig-Holstein keimte auch bei Parteifreunden an Rhein und Ruhr wieder Hoffnung auf. In den Umfragen verringerte sich der Abstand rasant.
Der sich jetzt abzeichnende Sensationswahlsieg der CDU zeigt: Der Genosse Trend ist ein Christdemokrat geworden. Dabei waren die Zweifel an Laschet selbst in den eigenen Reihen lange Zeit groß gewesen. Zu beliebt schien die Amtsinhaberin, zu schwach ihr Herausforderer.
Empfohlener externer Inhalt
Kein Siegertyp, sondern nur ein Verlegenheitskandidat sei er, hieß es über den 56-jährigen Rheinländer. Zu nett, zu gemütlich, zu konturenlos, zu wenig ambitioniert und bisweilen zu chaotisch, lautete der Tenor. Der rechte Unionsflügel verübelte dem liberalen Laschet überdies, dass er in der „Flüchtlingskrise“ aufrecht an Angela Merkels Seite geblieben war.
Auch im Wahlkampf setzte Laschet allen Unkenrufen zum Trotz auf die Kanzlerin, die ihn mit zahlreichen Auftritten unterstützte. Zur Bespaßung der konservativen Klientel holte er sich gleichwohl auch noch CSU-Chef Horst Seehofer und Bayerns Innenminister Joachim Hermann zur Verstärkung. Dass er zudem Wolfgang Bosbach als Berater anheuerte, war ein cleverer Schachzug zur Befriedung parteiinterner Kritiker.
In den Medien hatte Laschet einen schweren Stand. Genüsslich erinnerten sie an seine Klausurenaffäre, die ihm vor zwei Jahren den Lehrauftrag an der RWTH Aachen kostete: Er hatte studentische Arbeiten verbummelt, diese aber trotzdem benotet – wobei auch Studierende Noten erhielten, die gar nicht mitgeschrieben hatten.
Empfohlener externer Inhalt
Unter der Überschrift „Warum Laschet nicht gewinnen wird“ veröffentlichte die Wirtschaftswoche noch Mitte April ein bitterböses Porträt, in dem genüsslich die Pleiten, Pech und Pannen des CDU-Spitzenkandidaten ausgebreitet wurden. Selbst die Anekdote, wie er mal aus dem Urlaub in Portugal seine Sprecherin anrief und dabei mit Handy und Zigarillo in den Pool fiel, durfte nicht fehlen. Das war zwar lustig, aber analytisch lausig.
Tatsächlich ist die Strategie Laschets, die rot-grüne Landesregierung an ihren Schwachstellen zu packen, aufgegangen. Erfolgreich bediente er die diffuse Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Während die SPD ganz auf die vermeintliche Strahlkraft ihrer Ministerpräsidentin baute, thematisierte der Herausforderer die dunklen Flecken.
Geschickt legte der frühere Journalist den Finger in die sozialdemokratische Wunde. So verwies er immer wieder auf die Kinderarmut, die in Krafts Amtszeit gestiegen sei, obwohl sie doch versprochen habe, „kein Kind zurückzulassen“. Demgegenüber lautete sein Versprechen, NRW zum „Aufsteigerland Nummer 1“ zu machen, in dem Kinder aus allen sozialen Schichten eine Chance hätten. Seinen Fokus richtete Laschet allerdings ganz klassisch christdemokratisch auf die innere Sicherheit. Unablässig verwies er auf die hohen Einbruchszahlen im Land, die deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegen.
Empfohlener externer Inhalt
Den umstrittenen sozialdemokratischen NRW-Innenminister Ralf Jäger, dem Kraft trotz zahlloser Affären und Skandale die Treue gehalten hat, titulierte er als „Sicherheitsrisiko“. Damit traf Laschet offenkundig die Stimmung im Land. Jetzt sieht alles danach aus, dass er als Nachfolger Krafts in die Düsseldorfer Staatskanzlei einziehen wird.
Offen ist derzeit noch, ob die FDP oder die SPD Juniorpartnerin der CDU wird. Das hängt davon ab, ob die Linkspartei den Sprung in den Landtag schafft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin