: CDU erzeugt Erzieher-Proletariat
Neue Kita-Umfrage der SPD offenbart zentrale Mängel des Kita-Gutscheinsystems. Nur noch 24 Prozent der Erzieher Vollzeit beschäftigt. Bei ärmeren Kitas ist jeder zehnte Elternteil verschuldet
von Kaija Kutter
Hamburgs Kitas bieten im Jahr drei des Kita-Gutscheinsystems zwar hochflexible Öffnungszeiten an. Doch dabei haben die Kinder und die Beschäftigten das Nachsehen. Das ist eine der Erkenntnisse der zweiten Umfrage der SPD unter den Kita-Leitungen, die die Abgeordnete Andrea Hilgers gemeinsam mit der GEW und der Fachhochschulprofessorin Petra Strehmel machte. „Wer in Hamburg Erzieher ist, hat das Risiko, sich nicht mehr selbstständig ernähren zu können“, brachte es der GEW-Fachsprecher für Kitas, Jens Kastner, auf den Punkt.
Jeder sechste Erzieher hat nur noch einen befristeten Vertrag und 41 Prozent haben Angst um ihren Job. Nur noch 24 Prozent der Kita-Pädagogen arbeiten Vollzeit. Vor Einführung des Kita-Gutscheinsystems 2002 war dies ein gutes Drittel. Nach oben gedrückt wird dieser Anteil durch die städtische Kita-Vereinigung, die 46 Prozent Vollzeitkräfte hat. Bei den freien Wohlfahrtsverbänden und dem Verband „Soal“ haben nur noch rund 19 und 13 Prozent ganze Stellen.
Seit es das Gutscheinsystem gibt, wird in den Kitas nicht mehr dauerhaft das Personal für Vier, Sechs oder Acht-Stunden-Plätze bereit gehalten. Denn die finanzierte Stundenzahl hängt von jedem Gutschein ab, den die Kinder mitbringen, und der orientiert sich wiederum an der Elternarbeitszeit. Selbst kleinste Kitas mit 30 Kindern, so stellte Andrea Hilgers heraus, bemühten sich um eine möglichst lange Öffnungszeit. Im Durchschnitt aller 821 Kitas betrage diese täglich neun Stunden.
Für gute Bildungsarbeit und pädagogische Kontinuität ist dabei kaum gesorgt. „Die vor einem Jahr um elf Prozent gekürzten Standards reichen dafür nicht aus“, findet Hilgers. Hätte es die Kürzung nicht gegeben, würden heute 540 ErzieherInnen mehr Vollzeit in den Kitas arbeiten.
Was Hilgers überraschte: Bereits bei ihrer ersten Umfrage vor einem Jahr gaben die Kita-Leitungen an, sie müssten Abstriche machen und beispielsweise auf Bewegungsangebote, Gruppenreisen und Vorbereitungszeit verzichten. In der im Mai 2006 wiederholten Umfrage berichten viele über einen weiteren Rückgang dieser Aktivitäten. 58 Prozent wünschen sich mehr Fortbildungszeit für die neuen Kita-Bildungsempfehlungen. Mehr als die Hälfte geben an, dass sie gegen extra Bezahlung zusätzlich Sport, musikalische Früherziehung oder Englisch für Kinder anbieten – Dinge die nach Meinung von Hilgers „eigentlich zum Standard gehören“.
Hilgers hat auch eine gesonderte Auswertung über die Kitas in den „Stadtteilen mit sozialen Problemlagen gemacht“, zu denen nach Meinung des Senats Billstedt, Billbrock, Dulsberg, Horn, Jenfeld, Lohbrügge, Lurup, Rothenburgsort, St. Georg, St. Pauli. Steilshoop, Veddel und Wilhelmsburg zählen. Hier schätzen sogar 20 Prozent der Kita-Leitungen die „pädagogische Kontinuität“ als schlecht ein. Ein Viertel klagt über fehlende Mitarbeiter.
Beides folgt aus dem Kita-Gutscheinsystem, wurde doch ein Drittel der Ganztagsplätze und ein Viertel der Krippenplätze abgebaut. Zudem gibt es ein großes Hin und Her bei den Gutschein-Bewilligungen. Noch ist das Jahr nicht zu Ende, aber Hilgers schätzt, dass jedes vierte Kind wegen der Arbeitslosigkeit der Eltern oder der Geburt eines Geschwisters eine Gutscheinänderung bekommt, einige davon sogar bis zu neun Mal im Jahr.
Ebenfalls in diesen Gebieten ist die Verschuldung der Eltern bei den Kitas ein Problem. Jede zehnte Familie bleibt Beiträge schuldig. „Die schämen sich, das belastet die pädagogische Arbeit vor Ort“, sagt Hilgers. Früher waren die Gebühren niedriger, weil es die 13 Euro Essenspauschale noch nicht gab.
Seit Januar 2005 ganz neu geregelt ist die Finanzierung des Personals. Früher zahlte die Stadt die realen Kosten jedes Trägers, heute gibt es eine Pauschale. Dies führe dazu, dass die Vereinigung, die Arbeiterwohlfahrt und die kirchlichen Träger über niedrigere Tariflöhne verhandeln wollten, berichtet GEW-Fachsprecher Jens Kastner. Er geht davon aus, dass es bald neue Warnstreiks geben werde. Der „Langmut“ der Kita-Beschäftigten sei überstrapaziert. „Bei uns macht sich Wut über die geringe finanzielle Wertschätzung breit.“