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Archiv-Artikel

CDU einzige Säule

SPD-Gruppe in Schul-Enquetekommission will jetzt auch Gymnasien zu Stadtteilschulen umwandeln. Eigene Experten distanzieren sich. Britta Ernst: „Es gibt keinen historischen Kompromiss mit der CDU“

von KAIJA KUTTER

Am Wochenende wird die seit einem Jahr tagende Schul-Enquetekommission ihre Empfehlungen zur Schulstruktur beschließen. Dabei zeichnet sich eine Überraschung ab. „Einen historischen Kompromiss zwischen CDU und SPD für ein Zwei-Säulen-Modell aus Gymnasium und Stadtteilschule wird es wohl nicht geben“, vermutet die Fraktions-Chefin der GAL Christa Goetsch nach Lektüre der neuesten Papiere. Darin bezieht die SPD-Gruppe in der Kommission deutlicher als bisher Stellung für eine Schule für alle.

Ungewöhnlich ist, dass die von der SPD in die Kommission entsandten Experten, Reiner Lehberger, Sabine Schlüter und Dieter Wunder, eine abweichende Stellungnahme formulierten. So will die Gruppe der SPD-Abgeordneten, bestehend aus Willi Buss, Gerhard Lein, Luisa Fiedler, Barbara Brüning und Sprecherin Britta Ernst, auch die Gymnasien zu Stadtteilschulen entwickeln. „Wir wollen sie nicht abschaffen“, heißt es in dem Papier, „aber diese werden sich verändern müssen“. Auch sollten sie „Verbünde“ mit anderen Schulen eingehen. Das Experten-Trio hingegen will in erster Linie Haupt- und Realschulen mit Gesamtschulen zu Stadtteilschulen fusionieren und die Gymnasien nur optional einbeziehen.

Auch in zwei weiteren Knackpunkten gibt es SPD-internen Dissens: Die Abgeordneten schreiben, „auf dem Weg zur Schule für alle“, solle es „verschiedene Wege zum Abitur“ geben. Lehberger und Co. vermeiden diese Worte und betonen dafür, dass Gymnasium und Stadtteilschule „je eigene Profile“ haben sollten, was auf eine Manifestierung beider Säulen hinausläuft. Auch auf die umstrittene Schullaufbahnempfehlung nach Klasse 4 wollen die drei ausdrücklich nicht verzichten und diese mit Tests kombinieren. Hingegen betonen die fünf Abgeordneten, dass es „kein Selektionsinstrument“ geben dürfe. Allerdings wäre die SPD immer noch bereit, dem Abschulen der Kinder vom Gymnasium nach Klasse 6 zuzustimmen. Für Christa Goetsch ist das eines der „Hauptübel“ des Zwei-Säulen-Modells: „Das demotiviert, frisst Energien und schafft eine Atmosphäre von Druck und Angst“, sagt sie. Das werde zehn-, elfjährigen Kindern „nicht gerecht“.

Goetsch vermutet nun, dass die SPD-Abgeordneten und -Experten am Samstag uneinheitlich abstimmen werden und keine Einigung mit der Union zustande kommt. Deren Schulpolitiker Robert Heinemann habe stets betont, dass er nur mit einer „geschlossenen SPD“ einen Kompromiss eingehe.

„Das habe ich nicht gesagt“, sagt Heinemann dagegen zur taz. Er sehe nur, dass die SPD „gespalten“ sei und bedauere, „dass das Thema jetzt in den Wahlkampf hineingerät“. Man werde Schritt für Schritt sehen, wie die Abstimmung verläuft. Sollte die SPD nicht mitziehen, werde er auch so eine Mehrheit bekommen und die Bildungsbehörde bitten, entsprechende Schritte vorzunehmen. Heinemann: „Dann haben wir Wahlen. Kommt die große Koalition, haben wir zwei Wege. Kommt Rot-Grün, kommt die Einheitsschule.“

Die SPD-Politikerin Britta Ernst hingegen bestreitet, dass es in dem neuen Papier überhaupt eine Kehrtwende gebe. Die SPD habe als Ziel die Schule für alle, wolle aber jetzt schon die Stadtteilschule einrichten. „Es gibt keinen historischen Kompromiss von SPD und CDU für das Zwei-Säulen-Modell“, sagt sie. „Das hätte man spätestens seit dem Parteitagsbeschluss vom 2. Dezember wissen müssen.“ Nur hätten viele Medien nicht entsprechend berichtet und seien jetzt überrascht.