CDU Wiesbaden gegen Abgeordnetenwatch: Angst vor den Wählerfragen
Die CDU-Rathausfraktion von Wiesbaden droht den Machern von abgeordnetenwatch.de mit einer Klage. Sie wollen auf dem Portal nicht von Bürgern befragt werden.
Hans-Joachim Hasemann-Trutzel ärgert sich über Abgeordnetenwatch.de. Er ist für die CDU Stadtverordneter in Wiesbaden – und möchte nicht, dass Wähler und andere Menschen ihm über das Portal öffentlich Fragen zu seiner Politik stellen können. Das ist zur Zeit auch gar nicht möglich, denn für Wiesbadener Kommunapolitiker gibt es noch gar keine Abgeordnetenwatch-Seite.
Hasemann-Trutzel und seine 24 Fraktionskollegen haben dem Portal trotzdem schon mal mitgeteilt, dass sie nicht auf der Website erscheinen möchten. Sie drohen in einem Brief ihres Justiziars, der taz.de vorliegt, mit einer „formalen Klärung“ - die Website versteht das als Klagedrohung.
Wenn die Wiesbadener CDU-Stadtverordneten das wahr machen, dann erlebt das Portal Abgeordnetenwatch.de bald eine Premiere. Ein Gerichtsverfahren gab es noch nie – Drohungen allerdings einige. Am häufigsten gebe es Ärger mit Kandidaten von extremistischen Parteien, sagt Martin Reyher von Abgeordnetenwatch.de. Die wollten nach einer Wahl oft wieder von der Plattform verschwinden. Neu ist, dass eine ganze Fraktion geschlossen droht – und das prophylaktisch.
Fettnäpfchen vermeiden
Auf Abgeordnetenwatch.de können seit 2004 die Nutzer Politikern Fragen stellen. Das Portal leitet die Fragen weiter und veröffentlicht sie – und auch die Antworten. Zunächst konnten nur die Mitglieder der Hamburger Bürgerschaft befragt werden. Seit 2006 bietet die Website das für alle Bundestagsabgeordneten an – inzwischen können die Menschen auch die deutschen Europaparlamentarier, die Abgeordneten aus acht Landtagen und die Mandatsträger in 20 kommunalen Gremien befragen. Ein weiteres Kommunalparlament wird hinzugefügt, wenn jemand die entsprechenden Daten auf einer Excel-Liste einreicht. Der Wiesbadener Ortsverband der Piraten hatte angekündigt, das zu tun.
Doch warum gibt es die Aufregung bei den CDU-Kommunalpolitikern in Hessens Hauptstadt? „Die Stadtverordneten arbeiten ehrenamtlich und haben keinen Apparat hinter sich“, sagt Hasemann-Trutzel. Er ist Rechtsanwalt und vertritt sich und seine Kollegen auch als Justiziar. Manche seien einfach ausgestattet und hätten weder Internet noch Fax. Außerdem seien viele nicht in der Lage sich gut auszudrücken, die Tragweite ihrer Formulierungen abzuschätzen und mit Empfindsamkeiten umzugehen. Das ist für ihn ein Problem, weil die Antworten auf die Fragen „auch in 10 Jahren noch online zu finden sind“.
Angst vor Anquatschern
Die Kommunalpolitiker fühlen sich überfordert. „Mir haben Leute gesagt: Wenn das kommt, höre ich auf“. Ihn und die anderen CDUler stört auch das Zählsystem von Abgeordnetenwatch.de – dort kann jeder sehen, wie viele Fragen es für einen Politiker gab und wie viele Antworten er gegeben hat. Für Hasemann-Trutzel ist das „stigmatisierend“.
Rechtlich argumentiert er mit dem Persönlichkeitsrecht. „Ich darf mir aussuchen, mit wem ich in Kontakt trete“. In Deutschland gelte: „Du darfst nicht jeden anquatschen“.
Martin Reyher hält das Vorgehen von Abgeordnetenwatch.de jedoch für rechtlich wasserdicht. „Wir können uns nicht vorstellen, dass irgendein Richter etwas dagegen haben könnte“, sagt er. Er habe ganz und gar nichts gegen eine rechtliche Klärung. Und er glaubt auch nicht, dass die Stadtverordneten fürchten müssen, mit Anfragen überschwemmt zu werden.
Dass sich die CDU-Kommunalpolitiker mit abgeordnetenwatch.de beschäftigt haben, hat einen konkreten Grund: Der Kreisverband der Piratenpartei in Wiesbaden hat im Spätsommer angekündigt, die Daten der Stadtparlamentarier an das Portal weiterzugeben. Die gemeinsame Fraktion aus Piraten und Linken beantragte anschließend in einem Fachausschuss, dass die Stadt von sich aus auf abgeordnetenwatch.de zugeht und darum bittet, einen Bereich für die Wiesbadener Kommunalpolitiker einzurichten. Ohne Erfolg. Die Piraten haben schließlich keine Daten der Lokalpolitiker zu dem Politik-Portal geschickt.
Inzwischen sieht es so aus, als würden die 25 CDU-Stadtverordneten aus Wiesbaden das Gegenteil von dem erreichen, was sie eigentlich wollten: Nachdem die abgeordnetenwatch.de-Macher in ihrem Blog über den Briefwechsel mit den Stadtverordneten berichtet haben, haben erste Leser angefragt, was für Informationen die Website brauche, um die Profile einzurichten, erzählt Reyher. Doch es gibt auch gute Nachrichten für die CDU-Stadtverordneten von Wiesbaden: Dieses Jahr brauchen sie keine Anfragen mehr zu fürchten. Zuvor müssen auf abgeordnetenwatch.de nämlich noch Profile der Kommunalpolitiker vieler anderer Städte eingerichtet werden.
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