CDU-VORSITZENDE ANGELA MERKEL SPRACH AUF DEM CSU-PARTEITAG: Penetrante Inszenierung
Angela Merkel ist pfundig. Sie hat die Herzen der Delegierten auf dem CSU-Parteitag im Sturm erobert. Alle Spekulationen über Meinungsverschiedenheiten zwischen den Schwesterparteien sind leeres Gerede. Die Eintracht könnte nicht größer sein, der Zuspruch für die CDU-Vorsitzende nicht herzlicher. Alles klar? Hinter der ziemlich penetrant inszenierten Botschaft der Parteitagsregie steckt nüchternes Kalkül. Die Referenz, die Merkel in München erwiesen wurde, soll verdecken, worum es eigentlich geht: um die inhaltliche und programmatische Vorherrschaft in der Union. Edmund Stoiber hat am Wochenende keinen Zweifel daran gelassen, dass er diese für sich beansprucht.
Sein Lehrmeister Franz Josef Strauß konnte niemals realistisch darauf hoffen, den politischen Kurs der Bundesrepublik bestimmen zu dürfen. Deutlich genug fiel denn auch die Niederlage bei seinem einzigen Versuch aus, nach der Kanzlerschaft zu greifen. Edmund Stoiber jedoch ist aus anderem Holz geschnitzt. Er zieht weniger glühende Begeisterung, aber auch weniger Abscheu oder gar Hass auf sich. Nicht das polternde Urgestein im Bierzelt: der kühle, sachliche Analytiker ist seine Rolle. Das macht ihn für seine politischen Gegner gefährlich. Sie können sich nicht mehr darauf verlassen, dass ein Bayer nördlich der Mainlinie ohnehin nicht mehrheitsfähig ist.
Keinerlei Aufmerksamkeit sollte der Ankündigung geschenkt werden, dass Stoiber für eine Kanzlerkandidatur „definitiv“ nicht zur Verfügung stehe. Gegenwärtig hat der CSU-Vorsitzende durch einen öffentlich ausgetragenen Machtkampf in der Union nichts zu gewinnen, aber vieles zu verlieren. Noch führt Angela Merkel in den Umfragen. Noch. Je häufiger es Stoiber jedoch gelingt, die CSU-Position erfolgreich gegenüber der größeren CDU zu vertreten oder gar durchzusetzen, desto schwächer erscheint die Rivalin.
Angela Merkel hat schon oft bewiesen, dass sie Reden zu halten versteht, die im Ton die Stimmung des Publikums treffen, und dass sie damit kurzfristige Begeisterung zu entfachen vermag. Immer weniger aber spricht dafür, dass konzeptionelles Denken in größeren Zusammenhängen ihre Stärke ist. Stoibers schon. Seine Forderung nach Änderung des Asylrechts ist inhaltlich ebenso wenig überraschend wie der Widerspruch, den er mit seinem Vorstoß sofort aus den Reihen der CDU geerntet hat. Interessant aber ist die schleichende Veränderung der Psychologie zwischen beiden Parteien. Früher gab die CDU den Ton an, und die CSU konnte bestenfalls ein wenig maulen. Es ist nicht auszuschließen, dass sich die Verhältnisse noch in dieser Legislaturperiode umkehren. Edmund Stoiber jedenfalls tut dazu, was er kann. BETTINA GAUS
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