piwik no script img

CDU-Parteivorsitz in NRWStaatsmann gegen Landesvater

In NRW buhlen Laschet und Röttgen um die Gunst der Parteibasis, die den neuen CDU-Landeschef bestimmen darf. Das erste Duell entscheidet Röttgen knapp für sich.

Wollen werden, was er noch ist: Laschet (li.) und Röttgen (re.) gemeinsam mit dem scheidenden CDU-Landesvorsitzenden Rüttgers. Bild: apn

MÜNSTER taz | Armin Laschet oder Norbert Röttgen? Der erste Akt der großen Castingshow der nordrhein-westfälischen Christdemokraten begann am Mittwochabend. Es geht um den Vorsitz des größten CDU-Landesverbandes. In der Stadthalle im münsterischen Vorort Hiltrup drängen sich 800 meist ältere CDU-Mitglieder. Hier träfe sich die „erweiterte Seniorenunion“, scherzt ein früherer CDU-Kreisvorsitzender.

Laschet wirkt nervös. Das Los meint es nicht gut mit ihm. Er muss als erster ans Mikrofon. Dem 49-jährigen Ex-Landesintegrationsminister gelingt es nur mühsam, seine große Anspannung zu verbergen. Für ihn steht alles auf dem Spiel. Nachdem er bei der Wahl zum Vorsitzenden der Landtagsfraktion gegen Karl-Josef Laumann den Kürzeren zog, dürfte eine erneute Niederlage das Ende seiner politischen Karriere bedeuten. Verliert dagegen der 45-jährige Bundesumweltminister Röttgen, wäre er auf Bundesebene geschwächt und müsste seine Karrierepläne erst mal auf Eis legen.

Es ist ein schwieriges Terrain, das die beiden an diesem Abend beackern müssen. Die zwei Rheinländer haben im Münsterland kein Heimspiel. Die Basis in der ländlich geprägten christdemokratischen Hochburg ist tief katholisch und erzkonservativ. „Warum sitzt hier vorne nicht Karl-Josef Laumann?“, ruft ein CDU-Mitglied in den Saal. Denn der bodenständige münsterländische Bezirkschef sei schließlich ein „Handwerker“. Laschet und Röttgen seien dagegen nur „Mundwerker in Flanell“.

Liberalere Geister sind vielen hier suspekt. Das zeigt sich auch an manchem Wortbeitrag aus dem Saal. Eine Lebensschützerin bezeichnet Abtreibungen als Mord. Einer, der sich als „ausgebildeter Gymnasialleher“ vorstellt, ruft zur Solidarität mit Thilo Sarrazin auf: „Wie erbärmlich bigott ist unsere Partei, dass wir einen Mann wie Sarrazin im Regen stehen lassen?“

Mit solchen Positionen können und wollen sich Laschet und Röttgen nicht gemein machen. „An den Genen abzulesen, ob jemand intelligent ist oder nicht, ist alles andere als christdemokratische Politik“, bescheidet Laschet kühl seinem Parteifreund. Auch Röttgen distanziert sich deutlich von den „inakzeptablen Thesen“ Sarrazins, die den Respekt vor der Würde des Menschen vermissen ließen. „80 Prozent der CDU lehnen das ab“, fügt er hinzu - und erntet Grummeln im Saal.

„Was können Sie aus Ihrer Orientierung heraus für die konservativen Wähler tun, die uns in Scharen weglaufen“, will ein skeptischer Frager wissen. Nach seinem Eindruck gehörten die beiden Kandidaten zum „liberalen Flügel“. Doch die wollen sich nicht so leicht einordnen lassen. „Die Debatten zwischen links und rechts halte ich für Debatten der Vergangenheit“, sagt Röttgen. „Ich würde mit den Etiketten aufpassen“, warnt Laschet. In der einen Frage hätte er eine liberale, in der anderen eine konservative Position. Das könnte auch gar nicht anders sein: „Linke sind Ideologen, ein konservativer bürgerlicher Mensch sieht sich das Problem an und sucht eine Lösung.“ Die CDU habe liberale, christlich-soziale und konservative Wurzeln, alle drei gelte es zu bewahren.

Das Auditorium gewinnen wollen beide mit der Beschwörung der großen christdemokratischen Gemeinschaft und der gemeinsamen Grundwerte. Laschet fordert, „Politik wieder stärker aus unseren Werten heraus erklären“. Röttgen will „christliche Wertprägung und wirtschaftliche Rationalität“ verbinden. Die Rollenverteilung zwischen ihnen ist einfach: Während Röttgen den großen Staatsmann mit politischem Weitblick spielt, macht Laschet auf Landeskümmerer mit dem Ohr für die Sorgen und Nöte der Menschen vor Ort. Der eine gibt sich der Zukunft zugewandt, der andere traditionsbewusst.

Ein neuer Landesvorsitzender müsse „vor Ort präsent sein“ und zu „100 Prozent in Nordrhein-Westfalen“ arbeiten, stichelt Laschet gegen den „Berliner“ Röttgen. Es gelte, auch die eigenen Interessen gegenüber dem Bund zu wahren. „Wir müssen als Landesverband auch sagen: Da sind wir anderer Meinung.“ Es sei falsch, sein Heil darin zu suchen, sich von der CDU-Politik im Bund zu distanzieren, hält Röttgen dagegen. „Diese Strategie geht schief.“

In den politischen Grundfragen sind zwischen den beiden jedoch Differenzen höchstens in Nuancen zu erkennen. Das stößt manchem im Publikum auf. Selbstverständlich seien sie sich ähnlich, kontert Laschet. „Das ist logisch, wir sind ja auch beide in der CDU.“ Unterschiedlich fällt allerdings die Bewertung der schweren Niederlage bei der Landtagswahl am 9. Mai aus. Für Laschet liegt die Verantwortung eindeutig bei der Bundesebene. „Wir können gemeinsam stolz sein auf das, was wir in den letzten fünf Jahren mit Jürgen Rüttgers für unser Land geschaffen haben“, sagt er. „Der Machtverlust kommt nicht von ungefähr“, erwidert Röttgen. „Wenn Parteitage wieder etwas mehr in Richtung Diskussion und etwas weniger den Charakter von rituellen Applausübungen haben, dann tut das allen gut“, setzt er sich vom „System Rüttgers“ ab. Jürgen Rüttgers, der als Nochlandesvorsitzender die Veranstaltung moderiert, schaut verkniffen.

Zweieinhalb Stunden dauert der Schlagabtausch. Den kräftigeren Szenenapplaus erntet an diesem Abend Röttgen. Er wirkt kämpferischer, seine Rhetorik ist ausgefeilter. Aber ausknocken kann Röttgen seinen Gegenkandidaten nicht. Mehr als ein knapper Punktsieg in der ersten Runde ist nicht drin. Laschet hat noch alle Chancen. Sieben weitere Regionalkonferenzen folgen bis zur Mitgliederbefragung am 31. Oktober. Beide Kandidaten haben zugesagt, dass sie das Ergebnis der unverbindlichen Urabstimmung akzeptieren werden und im Falle ihrer Niederlage nicht auf dem Landesparteitag am 6. November antreten werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!