CDU-Parteitag: Links liegen gelassen
Die CDU gibt sich als einzig wahre Partei der Mitte und genießt es, mal rücksichtslos sein zu dürfen. Alle schimpfen auf die linksgeschwenkte SPD - allen voran Angela Merkel.
HANNOVER taz Am meisten Spaß macht der CDU immer noch der Angriff auf ihre größte Konkurrentin, die SPD. Weil das im gemeinsamen Regierungsalltag kaum möglich ist, genießen es die Christdemokraten auf ihrem Parteitag umso mehr. Angela Merkel weiß das - deshalb geht sie gleich auf einen Sozi los. Und gleich auf den wichtigsten der letzten Jahre - ihren Vorgänger Gerhard Schröder. Als Merkel über die ihrer Meinung nach zu hohen Managergehälter spricht, erwähnt sie nebenbei, ein deutscher Kanzler verdiene ja nicht allzu viel - "wenn er nicht gerade in der Schweiz Geschäfte für russisches Gas macht".
Schröder, der prinzipienlose Geldscheffler im Dienste Putins - so sehen es die Delegierten. Dass es Merkel so offen ausspricht, sorgt für minutenlangen Jubel. Doch die Attacke ist auch mehr als nur eine Retourkutsche Merkels für die jüngste Kritik des Exkanzlers. Sie fügt sich ein in das Gerüst ihrer Rede. Merkel beansprucht nicht nur, die Menschenrechte besser zu vertreten als alle anderen. Sie behauptet auch ganz generell, die große Mehrheit der Menschen in Deutschland am besten zu vertreten. Besser als Schröder, besser als die SPD.
"Hier ist die Mitte!" ruft Merkel am Anfang. "Hier in der Mitte sind wir - und nur wir!" Das steht auch über der Bühne. Nur das. "Die Mitte" ist das Motto des Parteitags, auf dem sich die CDU ein neues Grundsatzprogramm gibt. Aus diesem Anlass stellt Merkel fest, die CDU habe in ihrer langen Regierungszeit fast alle wichtigen Weichenstellungen in Deutschland beschlossen. Merkel behauptet sogar, dass die SPD "nicht allein die Kraft zur Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe gehabt hätte". Da habe erst die Union Druck machen müssen. Vorbei die Zeiten, in denen Merkel zumindest die Hartz-Reformen als Leistung Schröders anerkannte. Und jetzt? Die heutigen Sozialdemokraten, poltert Merkel, hätten auf ihrem Parteitag "nichts anderes getan, als die Mitte aufzugeben". Dafür, dass die SPD den "demokratischen Sozialismus" wieder in ihr Programm aufgenommen hat, fehle ihr jegliches Verständnis.
Abgrenzung vom angeblich sozialistischen Gedankengut der SPD - das ist die in Hannover populärste Botschaft Merkels, die sie auch mit Hinweisen auf ihre eigene Biografie umrahmt. So verteidigt sie sogar die geplante Online-Durchsuchung im Antiterrorkampf: "Wer das als Marsch in den rechtlosen Überwachungsstaat diffamiert, der weiß wirklich nicht, was es heißt, in einem rechtlosen Überwachungsstaat zu leben."
Wo und was die angebliche Mitte ist, definiert Merkel, wie es gerade passt. Klimaschutz ja, aber nicht radikal: Eine Flugticketabgabe, wie sie die baden-württembergische CDU vorgeschlagen hatte, lehnt Merkel ab. Passt (noch) nicht auf einem Parteitag. Hier passt die klare Absage an eine EU-Mitgliedschaft der Türkei. Dafür gibt es dankbaren Applaus. Weniger Begeisterung löst der Ausbau der Kindertagesstätten aus. Vielen Delegierten ist das Betreuungsgeld für Mütter wichtiger. Nichts rührt sich, als Merkel den Post-Mindestlohn verteidigt und sagt: "Die Menschen haben ein Anrecht, für Arbeit angenmessen bezahlt zu werden." Bei ihrer Definition der "Mitte" hört sich Merkel für manch christdemokratische Ohren manchmal zu sozialdemokratisch an. Aber es wird hingenommen, weil Merkel Erfolg hat. "Die Beliebtheit von Angela Merkel hilft uns allen", sagt der niedersächsische Gastgeber Christian Wulff. Er hat im Januar Landtagwahlen. Und braucht die populäre Kanzlerin.
"Da, wo die Mitte ist, sind wir", sagt Merkel am Ende. "Und da wo wir sind, ist die Mitte." Wo das ist, darf Merkel vorerst fast allein bestimmen.
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