■ CDU-Minister aus dem Westen übernehmen Brandenburg: Ende eines Sonderwegs
Hildebrandt geht, Schönbohm kommt: Schon an den Namen der neuen Potsdamer Minister lässt sich ablesen, dass der „Brandenburger Weg“ zu Ende ist. Fast zehn Jahre lang standen Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) und seine resolute Sozialministerin für einen sanften Übergang von der DDR-Gesellschaft in den Kapitalismus. Hildebrandt stand für die Kontinuität staatlicher Sozialfürsorge, Stolpe für das trotzige Aussitzen westdeutscher Attacken auf ostdeutsche Biografien. Und selbst am Kabinettstisch wurde vor den Wahlen im September kaum ein Westimport geduldet.
Dieser Weg hätte sich nur mit der PDS fortsetzen lassen. Stolpes Pakt mit der CDU aber, das zeigt die Kabinettsliste überdeutlich, ist eine wahre Kulturrevolution. Nicht allein, dass der märkische CDU-Chef Schönbohm, schon als Berliner Senator heftig umstritten, das Innenressort in die Hand nimmt. Ins Justizministerium hievt er mit dem Bayern Kurt Schelter einen weiteren Law-and-Order-Mann, der einst Staatssekretär bei Manfred Kanther war. Auch der Wirtschaftsminister Wolfgang Fürniß verkörpert als Ex-Manager und Späth-Spezi einen Traditionsbruch im Stolpe-Land. Nicht einmal das Kulturressort überließ die CDU einem Politiker aus dem Osten.
Freilich war dem „Brandenburger Weg“, den die Große Koalition nun beerdigt, schon zuvor wenig Erfolg beschieden. Seine günstigen Wirtschaftsdaten verdankt das Bundesland einzig der geografischen Nähe zu Berlin. Zugezogene Firmen und Familien aus der Hauptstadt haben dem „Speckgürtel“ einen Boom verschafft. Ansonsten herrscht Brache im trostlosesten aller Bundesländer.
Die Wende um 180 Grad aber führt vom Regen in die Traufe. Bislang hat Stolpe den grassierenden Rechtsextremismus verharmlost. Künftig werden sich die Neonazis bestärkt fühlen, wenn Schönbohm und Schelter ihre Parolen vom starken Staat verbreiten. Und die Hightech-Träume, für die der neue Wirtschaftsminister steht, werden an der brandenburgischen Wirklichkeit bald zerschellen.
Vor allem aber ist das personalpolitische Signal fatal: Auch zehn Jahre nach dem Fall der Mauer fehlt dem Osten noch immer eine eigene politische Elite. Während die CDU-Ministerpräsidenten Biedenkopf und Vogel in Sachsen und Thüringen händeringend nach einheimischen Nachfolgern suchen, importiert die mitgliederschwache CDU Brandenburgs ihre ganze Ministerriege aus dem Westen. Armes Brandenburg! Ralph Bollmann
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