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CDU-Betonfraktion: Der Sockel bröckelt

■ CDU-Führung geht angeschlagen aus dem Parteitag hervor/ Massive Kritik an Diepgen / Fast-Abwahl von Kittelmann

Als Eberhard Diepgen sein schlechtes Wahlergebnis vernahm, vermochte er diesem sogar noch etwas Positives abzugewinnen: „Wir sind in Zeiten“, so kommentierte er gegenüber der taz, „wo es, Gott sei Dank, keine sozialistischen Ergebnisse mehr gibt“. 282 von 395 Delegierten hatten Diepgen am vergangenen Wochenende auf dem CDU-Landesparteitag ihre Stimme gegeben. Mit 71,4 Prozent ist dies das mieseste Ergebnis seiner Karriere als Parteichef überhaupt. Doch es blieb bei dem Parteitag nicht seine einzige Schlappe. Der von ihm vorgeschlagene Generalsekretär Dieter Ernst konnte mit 207 von 392 gerade mal 51 Prozent der abgegebenen Stimmen für sich verbuchen.

Die CDU-Mitglieder vermissen das eigenständige Profil ihrer Partei innerhalb der Großen Koalition. Zielscheibe der Kritik ist Eberhard Diepgen, der die Koalitions- und Parteispitze in Personalunion vertritt. Mit Unmutsäußerungen hatte man von daher im Vorfeld des Parteitages schon gerechnet, doch meinten die Veranstaltungsstrategen diese, wie in früheren Jahren, kanalisieren zu können. Es werde ein Routineparteitag, prognostizierte Ernst noch Mitte letzter Woche. Und allzu routiniert ging die Führungscrew in die zweitägige Auseinandersetzung, in deren Mittelpunkt die Neubesetzung der Führungspositionen stand.

Diepgen hielt eine Rede mit viel Regierungsrhetorik und wenig, wohldosierter Kritik am Koalitionspartner. Sein Credo, „zur gegenwärtigen Koalition gibt es in dieser Legislaturperiode leider schon rein rechnerisch keine Alternative“, vermochte die Delegierten nicht zu befriedigen. Erneut wurde der Vorwurf der „Sozialdemokratisierung“ gegen ihn erhoben. Der Abgeordnete Eckhart Wruck verlangte eine Besinnung „auf wertkonservative Momente“, der JU-Vorsitzende Heiner Kausch forderte „ein eigenes Profil“ der CDU ein. Vor allem aus den Reihen der Jugendorganisation wurde harsche Kritik am Landesvorstand und an Diepgen geübt. Sie überstieg bei weitem das, was die Führungsspitze von den letzten Parteitagen gewohnt war.

Doch war auch Diepgens Kritikern klar, daß es zu ihm derzeit keine Alternative gibt. Die Angst vor dem Regierungsverlust läßt die Reihen im Zweifelsfall geschlossener werden. Mit einer kämpferischen Rede, in der er das erforderliche Maß an konservativer Ideologie mit der gewünschten harschen Kritik an der SPD verband, vermochte der Fraktionsvorsitzende Klaus Landowsky die Delegierten wieder auf den augenblicklichen Parteikurs einzuschwören.

Doch geht die CDU mit diesem Parteitag angeschlagen in die kommenden beiden Wahlkampfjahre. Bis auf den Parteirechten und Ex- Verteidigungsminister Rupert Scholz wurden die sieben stellvertretenden Landesvorsitzenden mit einem ähnlich schlechten Ergebnis gewählt wie Diepgen. Am charakteristischsten für den Zustand der Partei war dabei die Wahl von Peter Kittelmann. Er wurde vor seiner Nominierung in einer für CDU-Verhältnisse ungewöhnlich heftigen Weise angegriffen. Der ehemalige Abgeordnete Peter Vetter warf dem Bundestagsabgeordneten vor, sich seit Jahren mit einer „systematisch aufgebauten Hausmacht“ durchzumauscheln und mit mafiösen Strukturen die Finger über alle zu halten. „Die einen hebt er“, so Vetter, der „die Schnauze voll“ hat, „die anderen senkt er.“ Vetter ging mit seiner Schelte den Mann an, der mit Landowsky und Diepgen zusammen die Keimzelle der „Betonfraktion“ bildet: das Triumvirat, das sich bereits seit gemeinsamen Studententagen an der FU kennt und das seit dem Ende der siebziger Jahre die CDU-Geschicke bestimmt, Diepgen als Kopf, die beiden anderen als Mehrheitsbeschaffer.

Nach dieser Attacke sprang Diepgen seinem Weggefährten zur Seite und kanzelte Vetter vor dem Parteitag ab. Es half nichts, mit 198 von 392 Stimmen schrammte Kittelmann äußerst knapp an einer Niederlage bei den Vorstandswahlen vorbei. Während dieser danach die „Grenze dessen, was man sich sagen lassen muß“ erreicht sah, waren damit zugleich die neuen Grenzen des zentralen parteiinternen Machtblocks angedeutet. Der Sockel der Betonfraktion beginnt zu bröckeln. Dieter Rulff

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