piwik no script img

Archiv-Artikel

Bush ändert Irakstrategie und gefährdet die Stabilität der Region Realitäten ignoriert

Wenn es stimmt, was die Washington Post berichtete, käme das einer totalen Kapitulation der US-Politik für den Nahen und Mittleren Osten gleich. Dem Bericht nach ist die US-Regierung von ihrem ursprünglichen Ziel abgerückt, den Irak modellhaft zu demokratisieren. Eine sich selbst tragende Ölindustrie werde ebenso wenig erwartet wie eine Gesellschaft, in der die meisten Menschen sicher und wohlhabend leben können.

Diese strategische Kehrtwende ist nicht nachvollziehbar. Die Supermacht USA hat unter Lügen und unter Missachtung des Völkerrechts ein Land überfallen, zehntausende Zivilisten getötet und ein totales Chaos angerichtet. Jetzt merken ihre Vertreter, dass ihre Rechnung nicht aufgeht, und machen sich einfach aus dem Staub. Ein solcher Schritt würde den in der Region bereits weit verbreiteten Hass auf die USA ins Unermessliche steigern. Für den internationalen Terrorismus wäre die neue Richtschnur ein Geschenk des Himmels.

In der Konsequenz nämlich kann sie nur eines bedeuten: Abzug der US-Streitkräfte. Das aber wird den Irak an den Rand einer nationalen Spaltung führen. Wie sich jetzt schon im Ringen um eine neue Verfassung zeigt, werden Schiiten, Kurden und wohl auch Sunniten – befreit vom Druck aus Washington – umso vehementer versuchen, ihren jeweils eigenen Staat zu gründen und dabei auch einen Bürgerkrieg in Kauf nehmen.

Ein solches Bestreben ruft die Nachbarstaaten Iraks auf den Plan. Die Türkei wird unter allen Umständen versuchen, einen selbstständigen Kurdenstaat zu verhindern. Einen neuen Schiitenstaat an der Seite des Iran betrachten die arabischen Staaten als existenzielle Gefahr für die gesamte Golfregion. Auch Israel wird eine Spaltung Iraks und erst recht einen zweiten islamischen Staat neben Iran nicht dulden wollen.

Der ganze Nahe- und Mittlere Osten wird durcheinander geraten. Ganz zu schweigen von den Folgen, die eine solche Entwicklung für die internationale Energieversorgung hätte. Man kann nur hoffen, dass die Ignoranz dieser Realitäten, die die Bush-Regierung auszeichnet, Grenzen hat. Bush darf sich jetzt nicht aus dem Staub machen. Die Truppen müssen bleiben. Bahman Nirumand