Bunker in Bagdad getroffen

Mehrere hundert Tote bei der Zerstörung eines Bunkers in der irakischen Hauptstadt/ Krankenhäuser überfüllt/ Viele Menschen mit Brandwunden  ■ Aus Bagdad Khalil Abied

Ein Zivilschutzbunker im Bagdader Stadtteil Amerya ist gestern morgen bombardiert worden. Nach irakischen Angaben sind dabei zwischen 700 und 1.000 Menschen umgekommen. Beim ersten Angriff zerbrach die Tür des Bunkers, zehn Minuten später wurde das Dach von zwei Raketen zerstört. Eine Rakete riß ein Loch in die drei Meter dicke Decke und explodierte im Innenraum.

Neben dem zweigeschossigen Bunker in der Amal-Schaabi-Straße befindet sich ein Supermarkt, ein Kindergarten und eine Moschee. Er wurde 1984 gebaut und bot Platz für 2.000 Leute. Nach Angaben aus der Umgebung war er jede Nacht voll. Die Bewohner der Straße hatten sich daran gewöhnt, jeden Abend bei Sonnenuntergang in den Bunker zu gehen. Sie hielten ihn für besonders sicher, weil er als Anti-Atombomben-Bunker gebaut wurde. Letzteres bestätigte auch ein Offizier im irakischen Ministerium für Zivilschutz.

Um elf Uhr, sechs Stunden nach der Bombardierung, steigen immer noch dicke Rauchwolken aus der Ruine auf. Einige Zivilisten versuchen, die Toten herauszubringen. Alle Leute im Bunker waren Frauen, Kinder und alte Leute. Die irakischen Behörden lassen keine Männer in die Bunker, weil es gegen die Gebote des Islams verstößt, wenn Frauen und Männer auf so engem Raum zusammenkommen. Wir versuchen uns Zugang zu den Innenräumen zu verschaffen, doch das ist wegen der Hitze und des Rauchs unmöglich. Erschöpfte Zivilschutzleute pumpen Wasser durch das Loch im Dach, um das Feuer zu löschen.

Auf der Straße vor dem Bunker weinen Hunderte von Männern, weil ihre Frauen und Kinder im Bunker waren. Gruppen von Frauen weinen um ihre Verwandten und Nachbarinnen. Als sie uns Journalisten sehen, schreien sie. „American, british murder bastard!“ Eine Frau schreit: „Unsere Männer werden das rächen. Hier ist nicht Kuwait. Sie sollen dort gegen unsere Männer kämpfen!“

Später im Yarmuk-Krankenhaus ein Anblick, den ich nie vergessen werde: Viele Tote, verbrannt, schwarz, man kann nicht erkennen, ob sie Frauen, Kinder oder Männer waren. Die Ärzte und Schwestern weinen, auch viele Journalisten. Schwester Fadan sagt: „150 tote Leute sind bis 12 Uhr ins Krankenhaus gebracht worden. Nur in der ersten Stunde nach dem Massaker konnten die Zivilschutzleute 30 Leute retten. Zehn von ihnen sind später gestorben.“

In der Chirurgie liegt das Kind Saahib Sahlal. Sein Gesicht und sein ganzer Körper sind verbrannt. Er hat seine Mutter und fünf Geschwister verloren. Neben ihm Daliah Abd-el- Karim, sie hat ihre Mutter und zwei Brüder verloren. Mohammed Youssef, zwölf Jahre: „Ich habe eine große Explosion gehört und ein Erdbeben gespürt. Meine Wolldecke war verbrannt, mein Gesicht auch. Ich wollte meine Mutter suchen, aber ich habe nur ihr Fleisch und Blut gerochen. Ich wollte fliehen, aber dann wurde ich ohnmächtig.“ Er hat seine ganze Familie verloren.

Vor dem Krankenhaus sammeln sich Verwandte der Opfer. Eine schwarz gekleidete Frau schreit: „Is this your democracy?“ Sie hat vorgestern ihre Familie in Basra verloren: ihren Mann und drei Kinder. Sie ist nach Bagdad gekommen, um bei ihrer Schwester zu bleiben. Bei ihrer Ankunft entdeckte sie, daß ihre Schwester und deren Familie, sieben Leute, in dem Bunker umgebracht wurden.