Bundeswehrverbands-Vizechef über Afghanistan: "Ein ziviles Mandat muss her"
Der Vizechef des Bundeswehrverbands kritisiert, dass die Afghanistan-Debatte nur um die Streitkräfte kreist.
![](https://taz.de/picture/386201/14/truppen_b.jpg)
taz: Herr Kirsch, sind 1.000 zusätzliche Soldaten und Soldatinnen für Afghanistan nun genug, zu viel, zu wenig?
Ulrich Kirsch: 1.000 sind sachgerecht, um beweglich auf die veränderte Lage in Afghanistan reagieren zu können. Und es sind genug, um mit der albernen Zählerei beim Kontingentwechsel aufhören zu können - dass die Grenze von 3.500 bloß nie auch nur um einen Mann überschritten wird.
Wie sieht die veränderte Lage für Sie aus?
Wir brauchten in Kundus mehr Leute für verbesserten Schutz. Wir müssen den Abzug dänischer und tschechischer Kameraden aus dem Norden kompensieren. Unsere Feldjäger müssen die Polizeiausbildung übernehmen, die eigentlich gar nicht unsere Aufgabe ist. Wir stellen 205 Mann für die schnelle Eingreiftruppe, die bislang durch die Norweger gestellt wurde.
So sieht die Lage aber nicht erst ab Oktober aus.
Deswegen hätten wir uns auch gewünscht, dass der Bundestag die Aufstockung noch vor der Sommerpause beschließt und nicht erst im Oktober.
Wird die Politik der Arbeit der Bundeswehr in Afghanistan nicht gerecht?
Die Diskussion läuft insgesamt in die falsche Richtung, wenn sie sich nur auf die Streitkräfte konzentriert. Die Bundeswehr macht vor Ort ihre Arbeit, sie bildet die afghanische Armee aus. Aber die entscheidende Herausforderung ist doch der Aufbau von Polizei, Justiz, Verwaltung, und natürlich die wirtschaftliche Entwicklung. Dafür ist das Verteidigungsministerium gar nicht zuständig. Aber wenn es um den Beitrag des Entwicklungs- oder des Innenministeriums geht, wird immer nur Nebel geworfen. Die Diskussion findet gar nicht statt.
Wie sollte der Rest der Bundesregierung in die Pflicht genommen werden?
Man müsste gleichzeitig mit dem Mandat für die Bundeswehr ein Zivilmandat formulieren, in dem die zivilen Aufgaben so klar aufgeschrieben werden wie die unsrigen im militärischen Mandat.
Ist die Exitstrategie klar genug formuliert?
Das Wort Exitstrategie ist falsch. Besser ist, wie bei der Nato vom military und political end state zu sprechen, also vom erstrebten Zielzustand. Die Politik wird in diesem Land zwischen Mittelalter und Moderne eine ganze Generation brauchen. Was das Militär angeht, so denke ich, dass die afghanische Armee in drei oder vier Jahren im Wesentlichen in der Lage sein wird, ihre Aufgaben zu erfüllen.
INTERVIEW: U. WINKELMANN
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