■ Bundeswehrgelöbnis: Warum der 13.8. ein idiotisches Datum ist: Verramschtes Ritual
„Die Zeit, der Ort und die Geliebte, sie kommen nicht zusammen.“ Der Vers des Dichters Browning kann umstandslos auf die Debatte bezogen werden, die sich gegenwärtig in Sachen öffentliches Gelöbnis der Bundeswehrrekruten abspielt, besser gesagt: quälend dahinzieht. Unter den diversen Ideen, die uns hier aufgetischt wurden, sticht der Vorschlag, das Gelöbnis am 13. August vor dem Berliner „Roten Rathaus“ abzuhalten, durch einen geradezu monströsen Idiotismus hervor.
Die wahltaktische Motivation ist offensichtlich. Kurz vor dem Wahltermin sollen SPD und Bündnisgrüne, die Ort und Termin des Gelöbnisses ablehnen, als indirekte Befürworter des Mauerbaus vorgeführt werden, als zukünftige Bettgenossen der SED-Nachfolgepartei, als Trottel, die sich die rote Socke als Schlafmütze überziehen. Kreuzen außerdem die Autonomen termingerecht am Ort der Feier auf, so kann auch die Verteidigung der inneren Sicherheit stimmenheischend ins Spiel gebracht werden – durch einen Exgeneral.
Gegenüber diesen allzu durchsichtigen und daher zur Wirkungslosigkeit verurteilten Manövern ist es fast peinlich, darauf hinzuweisen, daß der 13. August 1961 nichts, rein gar nichts mit einem wie immer gearteten Verteidigungsauftrag der Bundeswehr zu tun hat. Bekanntlich erschienen damals zum Showdown am Checkpoint Charlie nicht westdeutsche, sondern amerikanische Panzer, und ebenso bekanntlich besiegelte der Bau der Mauer die Blockteilung Europas unter der Hegemonie der zwei Supermächte. Es war ein Datum der Ohnmacht, nicht nur für die eingemauerte DDR-Bevölkerung, nicht nur für die Westberliner, sondern für jede an den Standards von Demokratie und Zivilität orientierte Politik. Sich an den 13.August als symbolisches Datum anzulehnen, bedeutet nichts anderes, als die demokratische Revolution des Jahres 1989 zu negieren, hinter das Ende der Blockkonfrontation zurückzufallen.
Dieser Zumutung gegenüber sei nochmals an den Vorschlag erinnert, das Gelöbnis in Berlin-Plötzensee abzuhalten, dem Ort, an dem die Verschwörer des 20. Juli hingerichtet wurden. Jürgen Trittin von den Bündnisgrünen irrt sich, wenn er glaubt, auch hier ginge es um nichts als öffentliches Tschingdarassabumm. Vielmehr böte sich an der Hinrichtungsstätte die Gelegenheit, die Grenzen von Gehorsam und bedingungsloser Gefolgschaft symbolisch zu vergegenwärtigen, nicht den deutschen Militarismus zu feiern, sondern mit ihm abzurechnen. Christian Semler
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