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Bundeswehreinsatz verlängertNoch ein Jahr Krieg in Afghanistan

Gegen die Stimmen der Linken und einiger Grüner: Der Bundestag verlängerte das Afghanistan-Mandat um ein Jahr und ebnete den Weg für einen Abzug ab 2011 – falls die Lage es zulässt.

"Hat doch gut geklappt." – "Ja, endlich mal wieder." – Merkel mit Guttenberg nach der Abstimmung im Bundestag. Bild: dpa

Eine Woche der Skandale, Enthüllungen und Selbstverteidigung ist am Freitag für Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) mit einem blauen Auge zu Ende gegangen. Die Verlängerung des Afghanistan-Mandats der Bundeswehr bis Ende Januar 2012 hat im Parlament eine Mehrheit gefunden.

419 Abgeordnete von 578 abgegebenen Stimmen stimmten dafür - das sind 72,5 Prozent. Es ist eine der schwächsten Raten in der Geschichte des Einsatzes, im vergangenen Jahr lag sie bei mehr abgegebenen Stimmen knapp ein Prozent höher.

Das Mandat setzt wie im vergangenen Jahr eine Obergrenze von 5.000 Soldatinnen und Soldaten, sowie eine Reserve von 350 Personen. Die Kosten für das Mandat liegen bei über einer Milliarde Euro. Die Bundeswehr wird dabei weiter im Norden tätig sein, die größten Feldlager liegen dort in Masar-i-Sharif und Kundus. Außerdem ist die Bundeswehr in der Hauptstadt Kabul vertreten. Laut Mandat soll der Bundeswehr-Abzug Ende dieses Jahres beginnen, sofern es die Lage erlaubt.

Eckdaten zum neuen Mandat

Die personelle Obergrenze liegt bei 5.350 Soldaten inklusive der Reservekräfte.

...

Eingeplant ist eine "flexible Reserve" von 350 Mann, um bei der Übergabe der Sicherheitsverantwortung "angemessen" reagieren zu können.

...

Die Kosten für die Verlängerung werden auf 1,06 Milliarden Euro beziffert.

...

Das Einsatzgebiet ist vorrangig der von Deutschland verantwortet Norden Afghanistans.

...

Auch in anderen Landesteilen sind "zeitlich und im Umfang begrenzte Einsätze" zulässig.

...

Ferner ist der Einsatz der gerade abgezogenen Aufklärungsflugzeuge vom Typ "Tornado" weiterhin möglich.

...

Eine Reduzierung der Truppenpräsenz ab Ende 2011 wird in Aussicht gestellt, "soweit die Lage dies erlaubt". (dapd)

Um die Formulierung gab es einen erbitterten Streit in der Bundesregierung. Die Festlegung auf das Jahr 2011 war Außenminister Guido Westerwelle (FDP) wichtig, Verteidigungsminister Guttenberg bestand auf die Einschränkung. Für die Regierung kritisierte FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger, dass die Fortschritte in Afghanistan zu wenig beachtet würden. "Man sieht oft nur die Probleme."

Die Opposition ist in der Afghanistan-Debatte gespalten. Die SPD hat überwiegend zugestimmt, "nach reiflicher Überlegung", wie Parteichef Sigmar Gabriel in der Debatte sagte. Er betonte, die Begründungen für den Einsatz, den die SPD im Jahr 2001 auf den Weg gebracht hat, würden auch heute noch gelten. Dennoch verknüpfte er die Zustimmung mit der Forderung an einen Abzugsbeginn in diesem Jahr: "Wir stimmen zu, weil wir sicher sind, dass die Truppenreduzierung 2011 beginnt und die Bundeswehr 2014 nicht mehr in Kampfhandlungen verwickelt sein wird".

Die Grünen enthielten sich überwiegend, allerdings stimmten auch zahlreiche Abgeordnete für oder gegen das Mandat. Der Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin sagte: "Wir können Ihrem schwammigen Mandat der Konjunktive nicht zustimmen." Es ginge nicht mehr um das "Ob" eines Abzuges, sondern um das "Wie", "ohne einen erneuten Bürgerkrieg zu riskieren".

Für die Linke hielt Gregor Gysi die vielleicht emotionalste Rede des Tages. Gysi kritisierte, die Regierung sei "verfangen in der Logik des Krieges". Am Hindukusch werde die Freiheit Deutschlands nicht verteidigt, sagte Gysi mit Blick auf den Satz des EX-SPD-Verteidigungsministers Peter Struck, "am Hindukusch wird unsere Freiheit immer mehr eingeschränkt". Grüne und SPD forderte er auf, endlich "aus der Kriegskoalition" auszutreten.

Verteidigungsminister Guttenberg sprach nicht. Er verfolgte die Debatte schweigend, selten regte er sich. Nachdem die Abstimmung beendet war und das Ergebnis feststand äußerte er sich dann doch noch. Er sei zuversichtlich, dass der Abzug 2011 beginnen könne, sagte er.

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10 Kommentare

 / 
  • JR
    Josef Riga

    Als die Russen nach dem sie einen Bürgerkrieg mit über 1 Million toter Afghanen vom Zaun gebrochen hatten,Ende der Achtziger abzogen, sagten sie genau dasselbe, was Amerikaner und Bundesdeutsche 2014, ..15 ...16 auch sagen werden: wir hinterlassen ein stabiles Land , wir haben soundsoviele Polizistern und Soldaten audgebildet, wir haben unsere internationale (internationalistische, sozialistische)

    Pflicht gegenüber dem afganischen Volk ( dem afghanischen Brudervolk) erfolgreich erfüllt, wir haben Strassen gebaut (damit unsere Panzer besser rollen können???), wir haben Schulen hingestellt ( damit die muslimischen Hodschas arbeitslos werden und mit ihren Schülernin die Berge gehen??). Wir haben eine Regierung eingesetzt ( damit sich diese Clique ordentlich bereichern kann ??)

    Genauso wird es kommen.

  • JR
    Josef Riga

    Immerhin 4 Unionschristen haben bei dieser namentlichen Abstimmung dem Druck ihrer Regierung widerstehen können.

    Nur durch Fraktionszwang und Öffentlich-machen abweichender Meinung kann die Kriegskoalition von Frau Merkel den Soldaten weiterhin eine4 "breite" Zustimmung" vorgaukeln, die es nicht gibt. Nicht im Parlament, und nicht im deutschen Volk!

    aber selbst im Bundestag sinkt die Quote von Jahr zu Jahr.

    2006: JA 535 NEIN 14 ? 4

    2007: JA 453 NEIN 79 ? 48

    2008: JA 442 NEIN 96 ? 32

    2009: JA 445 NEIN 105 ? 43

    2011: JA 419 NEIN 116 ? 43

     

    Es besteht also noch Hoffnung.

  • K
    Kerzenlicht

    Das ist ein trauriger Tag für Afghanistan und für alle, die gegen Krieg und Gewalt sind. Der Debatte waren auf der Tribüne des Bundestags neun Afhaninnen gefolgt, die Hilfe für einen friedlichen Wiederaufbau und für die Errichtung einer modernen Gesellschaft in Afghanistan erhofft hatten. Es muss für sie ein Schlag ins Gesicht gewesen sein, dass das deutsche Parlament trotz der negativen Entwicklung in Afghanistan durch den Krieg, diesen fortsetzen lässt und damit das Todesurteil für weitere hunderte Menschen, darunter auch deutsche Soldaten gesprochen hat. Dieser Krieg ist völkerrechtswidrig und wird von einem Land mitgeführt, das schon einmal unvorstellbares Leid über Europa gebracht hat. Er wird von einer Regierung geführt, die gerne von christlichen Werten tönt. Was christliche Werte den Christen bedeuten mussten Andersgläubige und auch Wissenschaftler in der gesamten Zeit des Christentums immer wieder erfahren. Inzwischen ist bekannt, dass Al Qaida in Pakistan untergeschlüpft ist und von Saudi Arabien bezahlt wird. Aber es wird weiter Krieg in Afhanistan geführt. Geht es eigentlich noch perverser?

  • A
    axel

    Korrekterweise heißen müßte die Einleitung "Gegen die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung"

  • K
    Kerzenlicht

    Hat mal irgendjemand von diesen Kriegstreibern die Afghanen gefragt, ob sie den Krieg wollen. Was wäre, wenn bin Laden hier in Deutschlan untergekrochen wäre? Wäre dann die Nato hier einmarschiert? der Krieg ist völkerrechtswidrig und wurde nicht mal erklärt. Eine hochgerüstete Armee tritt gegen Buschkämpfer an und erreicht neun Jahre lang garnichts, außer eine permanente Verschlechterung deer Lebensumstände der Afghanen. Wir verhindeern einen friedlichen Aufbau und die Entwicklung einer fortschrittlichen Gesellschaft in Afghanistan. Das ist das einzige Resultat des Krieges. Sollen die Kriegstreiber in der Regierung und im Bundestag doch nach Afghanistan ziehen und mitkämpfen, wenn sie so viel Spaß am Krieg haben. Es wäre sicher kein Verlust für Deutschland, wenn der größte Teil von ihnen nicht zurück käme.

  • N
    NaBoHi

    @L.A.WOMAN:

     

    In relativen Zahlen sieht das etwas anders aus.

    (+=pro -=contra o=enthalten /=nicht beteiligt)

     

    CDU

    + 90,21 %

    - 1,55 %

    / 8,25 %

     

    SPD

     

    + 71,92 %

    - 13,70 %

    o 5,48 %

    / 8,90 %

     

    FDP

     

    + 92,47 %

    o 1,08 %

    / 6,45 %

     

    DIE LINKE

     

    - 92,11 %

    / 7,89 %

     

    GRÜNE

     

    + 13,24 %

    - 32,35 %

    o 50,00 %

    / 4,41 %

     

    CSU

     

    + 97,78 %

    - 2,22 %

     

    Quelle: http://www.abgeordnetenwatch.de/verlaengerung_afghanistaneinsatz_isaf-605-344.html

  • TP
    tom peine

    die verschwämmung der tatsächlichkeit ist

    unglaublich ich bin mir sicher ihr irrt

     

    bis dahin

     

    tom

  • G
    gerhard

    ".... und ebnete den Weg für einen Abzug ab 2011 – falls die Lage es zulässt."

    Das klingt etwas nach der Logik jenes berühmten Hahns, der sich auf den bekannten Misthaufen für das Wetter begab !

     

    "Kräht der Hahn auf dem Mist - dann erfolgt der Abzug oder es bleibt so - wie es ist. " Es bleibt der freien Phantasie überlassen, nun den Hahn und den Misthaufen näher zu erklären.

     

    Aber auch eine ganz andere Frage wäre interessant, was wäre , wenn die Abstimmung

    tatsächlich einen Abzug ohne Verlängerung ergeben hätte?

     

    Nicht auszudenken, die USA hätte es glattweg als eine Art Kriegserklärung auffassen können und sofort die Bundesrepublik besetzt. Aber Halt! - das geht wiederum auch nicht - sie ist es ja schon bzw. sowieso noch besetzt. Man kann es also beliebig drehen und wenden -wie man will - es bleibt immer nur das hier erzielte Abstimmungsergebnis übrig .

    Alte Sprichwörter sagen schon alles voraus - einfach toll!

  • L
    L.A.WOMAN

    Zitat taz:

    "Gegen die Stimmen der Linken und einiger Grüne...."

     

    Das ergibt aber ein ganz schiefes Bild,

    Hut ab vor den SPDlern:

     

     

    SPD: : 20 GEGENSTIMMEN

     

    von wegen 'einiger Grüner'

     

    Grüne: 22 GEGENSTIMMEN

     

    CDU/CSU: 4 Gegenstimmen.

     

    Quelle: spon

     

    Absicht oder einfach schludrig hingeschrieben?

  • G
    Gunter

    SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte: "Wir jedenfalls stimmen heute der Mandatsverlängerung mit großer Mehrheit zu, weil wir den Strategiewechsel in Afghanistan für richtig und erfolgversprechend halten." steht im TAZ Artikel.

     

    Das ist nichts neues von den Spezialdemokraten: Am 4. August 1914 bewilligte die SPD-Fraktion im Reichstag einstimmig die Kriegskredite für den Ersten Weltkrieg.