piwik no script img

Bundeswehreinsatz im InnerenFriedrich macht den Schäuble

Innenminister Friedrich fordert bei Terrorangriffen die Bundeswehr im Inneren. Eine Mehrheit für die nötige Grundgesetzänderung gibt es nicht. Die FDP ist verärgert.

Bald im Inneren eingesetzt? Bundeswehrsoldaten bei einer Übung. Bild: dapd

BERLIN taz/afp | Der Amtsvorgänger von Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte das Thema Bundeswehreinsatz im Inneren für diese Legislaturperiode schon für beendet erklärt. Anfang 2010 marschierte Thomas de Maizière (CDU) in den Bundestagsausschuss und sagte den Abgeordneten: Da es eh keine nötige Zweidrittelmehrheit für eine Grundgesetzänderung gebe, brauche man auch nicht ständig darüber streiten, ob das Militär zur Terrorabwehr herangezogen werden könne.

Das beruhigte nicht nur die Opposition, sondern vor allem den bürgerrechtsliberalen Flügel des Koalitionspartners FDP.

Der neue Innenminister Friedrich, seit zweieinhalb Monaten im Amt, macht es jetzt genau anders herum. In einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt räumte er zwar ein, dass es keine Mehrheit für eine Verfassungsänderung gebe - forderte aber trotzdem, den Einsatz der Bundeswehr im Inland zu ermöglichen.

Für bestimmte Bedrohungslagen reichten die Mittel der Polizei nicht aus, sagte Friedrich. "In solchen Fällen sollten wir die Möglichkeit haben, die Streitkräfte einzusetzen", und nicht nur wie bisher schon bei Naturkatastrophen oder schweren Unglücksfällen.

Schäuble wäre mit dem Vorschlag fast durchgekommen

Das klingt weniger nach de Maizière, den man als Innenminister schon mal den "sanften Sheriff" nannte, sondern mehr nach Friedrichs Vorvorgänger im Amt, Wolfgang Schäuble (CDU). Der hatte die Forderung nach einem Einsatz der Bundeswehr im Inneren ständig wiederholt, bis er im Jahr 2008 fast damit durchgekommen wäre. Aber eben nur fast.

Was auch immer sich CSU-Mann Friedrich mit dem Revival der Schäubleschen Forderung erhofft hat: Die Reaktion ist genau die, die man erwarten musste. Die Opposition sagt: nicht mit uns. Und der Koalitionspartner FDP ärgert sich.

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann sprach von einem "fantasielosen Griff in die Mottenkiste". Von der SPD werde es keine Zustimmung zu einer Änderung des Grundgesetzes für den Bundeswehreinsatz im Inneren geben. "Die Bekämpfung des Terrorismus ist und bleibt polizeiliche Aufgabe", teilte Gisela Piltz mit, innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion. "Eine Vermischung von Polizei und Militär" komme nicht infrage.

Dissonanzen zwischen Justiz- und Innenministerium

Der Ton innerhalb der Koalition wird in der Innenpolitik von Woche zu Woche rauer. Am Dienstag trifft sich Innenminister Friedrich mit Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), um über eine Verlängerung des Terrorbekämpfungsgesetzes zu reden. Dabei geht es um Befugnisse der Geheimdienste, die ihnen nach dem 11. September 2001 eingeräumt wurden und im Januar auslaufen.

Am Freitag kam es in der Bundespressekonferenz zu der etwas schrägen Situation, dass der Sprecher des Innenministers sagte, man wolle "auf jeden Fall vor der Sommerpause noch zu einem guten Abschluss" kommen, worauf der Sprecher der Justizministerin antwortete: "Es kann vor der Sommerpause, nach der Sommerpause, im Frühherbst oder im Spätherbst sein. Man ist im Gespräch."

Nun drohen Teile der Union damit, die FDP bei dem Thema zu übergehen und sich die Mehrheit mit den Stimmen der SPD zu besorgen. Realistisch ist das natürlich nicht, denn das würden sich die Liberalen nie bieten lassen. Und um einen Koalitionsbruch zu provozieren, ist die Angelegenheit dann doch nicht wichtig genug. Ein Affront bleibt es trotzdem.

Noch weniger Einigkeit als bei den Geheimdienstbefugnissen herrscht beim Thema Vorratsdatenspeicherung. Und auch hier lässt Friedrich kaum eine Möglichkeit aus, um eine "Mindestspeicherfrist" für Telefon- und Internetverbindungsdaten zu fordern. Die FDP will das partout nicht. Man wolle das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit wieder ins Lot bringen, hieß es jüngst in FDP-Kreisen. Schärfere Gesetze im Kampf gegen den Terrorismus waren damit nicht gemeint.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • E
    Einsicht

    Na-ja vor Kurzem traf Friedrich den US-Botschafter Murphy, wobei er wohl seine Instruktionen erhalten hat. In nächster Zeit werden wir wohl so was wie den Patriot-Akt untergejubelt bekommen. Dann wir es uns schwerfallen gegen den amerikanischen Doktrinismus anzugehen. Bin gespannt, mit welchen Dingen diese Regierung noch alles durchkommt, bis der Michel sich erhebt. Wie blind kann man eigentlich sein?

  • JJ
    Jared J. Myers

    Siehe Syrien. Da wird das Militär auch im Innern eingesetzt.

  • V
    vic

    Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber Friedrich ist tatsächlich weitaus gefährlicher als es Schäuble jemals war.

    Ich denke, wir sollten uns an Bürgerprotesten nach Spaniens Beispiel orientieren, solange wir noch können.

  • HA
    Herr ABC

    Dieser Vorschlag ist nicht nur phantasielos, sondern zeugt von einem massiven Realitäsverlust im Regierungslager, und nicht nur dort.

     

    Zunächst sind Bundeswehrsoldaten überhaupt nicht zur "Terrorabwehr" ausgebildet. Dazu müssten sie nicht nur die Grundprinzipien des Polizeivollzugsdienst beherrschen, sondern auch noch Sprachkenntnisse mitbringen, die jenseits des christlich-jüdischen Werthorizont liegen. Die Vorstellung, dass Hunderte patriotisch-gesinnter junger Männer und Frauen mit automatischen Waffen durch deutsche Städte marschieren fällt hingegen eher in die Kategorie Alptraum.

     

    Dann stehen dem ganzen Unterfangen natürlich auch noch rechtliche Barrieren im Weg. Oder sind deutsche Panzer inzwischen mit Russpartikelfiltern ausgestattet? Sonst ist an der Umweltzonengrenze Schluss. Und der Wutbürger wird es sich auch nicht bieten lassen, dass Eurofighter über seine Gartenzwergidylle brettert.

     

    Daher liegt es nahe, dass es ausschließlich um die Frage der Datenerhebung und -verwertung geht. Wenn die Bundeswehr die Präsenz der staatlichen Gewalt im öffentlichen Raum übernimmt, dann können polizeiliche Ressourcen in die Überwachung der digitalen Informationsströme umgeleitet werden.

     

    Friedrich sollte sich erinnern, was Rick Major Strasser in Casablance riet: Nicht in bestimmte Stadtteile von New York einzumarschieren. Das gilt auch - und gerade - für deutsche Großstädte und die Bundeswehr.

  • C
    C.Ollee

    Seit Jahren wird der Einsatz der BW in der BRD gefordert. Mit dem gleichen Ergebnis. Nun hat man ja durch den Lissaboner Vertrag, da EU Recht vor Grundgesetzt geht, den Einsatz der BW in der BRD ja schon durch die Hintertür eingeführt. Sowie auch die Todesstrafe die ja im Grundgesezt abgeschafft ist. Also wovon spricht Friedrich hier überhaupt.

    Wir machen durch Abschaffung der Wehrpflicht die BW schon zu einer Söldnerarmee, die ja dann bei sog. Sozialen Unruhen gegen die Bevölkerung bequem lt. EU Recht eingesezt werden kann. Es darf dann auch im sog. Notfall scharf geschossen werden.

    Die Rechtlichen Möglichkeiten gibts also schon.

     

    Herr Friedrich sollte erst mal seinen Job machen.

    Als alte Hüte rauszuholen.

  • H
    Hilfspolizei

    Ich brauche keine Zivilversager als bewaffnete Hilfspolizei.

  • HJ
    Hans-Ulrich Jauchner

    Wer sich zu Recht über dumme Glatzen aufregt, der sollte sich einmal beim politischen Führungspersonal umschauen. Die einen machen die Straßen-, die anderen die politische Steuerungsarbeit.

     

    Offensichtlich gibt es eine hohe Korrelation zwischen CDU-Führungsfiguren und faschistoiden Tendenzen im Staats- und Militärapparat.

     

    Diese Partei ist eine zunehmend verfassungsfeindliche Organisation.

  • G
    GWalter

    Spanische und griechische Protestwellen schwappen bald zu uns über.

     

    Es dauert nicht mehr sehr lange! Deshalb haben

    Friedrich und die Innenminister der Länder es auch so eilig, das Internet weiter zu überwachen und die Zeit der Datenspeicherung zu verlängern.

     

    Ob wir Bürger vor kriminellen Machenschaften geschützt werden müssen, interessiert die nicht.

     

    Sie haben Angst um ihre eigene Haut. Sie wissen, dass sie den Bogen überspannt haben.