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Bundeswehreinsatz bei G20Sie. Dienen. Dem Gipfel.

Die Bundeswehr stellt ein Kriegsschiff, Hubschrauber und Unterwasserdrohnen. Für die Streitkräfte ist das ein schwieriges Terrain.

Entspricht nicht dem Dresscode: Während G20 sollen Soldaten in Hamburg zivil tragen Foto: dpa

Hamburg taz | Das Mehrzwecklandungsboot „Lachs“ ist schon seit mehr als 50 Jahren in Diensten der deutschen Marine. Es ist 40 Meter lang und kann mehr als 150 Personen aufnehmen, zumindest für einen gewissen Zeitraum. Deshalb liegt es nun auch beim G20-Gipfel vor Anker.

Am Freitagabend werden die Staats- und Regierungschefs die Elbphilharmonie besuchen, Konzert, Abendessen, Fototermin. Sollte es nun zu einem Anschlag kommen, könnten die Besucher übers Wasser in Sicherheit gebracht und vom Airbus-Gelände auf der anderen Hafenseite ausgeflogen werden.

Dass bei G20 unter den rund 20.000 Sicherheitskräften auch einige Soldaten im Einsatz sind, ist für die Bundeswehr ein schwieriges Terrain. Denn sie darf eigentlich nur bei zwei Ausnahmen im Innern eingesetzt werden: im Falle eines Notstandes oder bei Naturkatastrophen.

Es ist aber geübte Praxis, dass sie auch bei Großveranstaltungen im Zuge der Amtshilfe mitmischt. Dass beim G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm unter anderem Aufklärungsflugzeuge im Einsatz waren, wurde heftig kritisiert.

Küchenhilfe vom Bund

Für den G20-Gipfel wurden 46 Amtshilfegesuche gestellt, die meisten wurden positiv beschieden. Es geht vor allem um Unterstützung im technischen und logistischen Bereich. In Kasernen kommen Polizisten unter, die Bundespolizei leiht sich Köche und Küchenhilfen aus.

Daneben sind vor allem Sanitäter und Ärzte der Bundeswehr im Einsatz, das Bundeswehrkrankenhaus ist voll besetzt. Die Streitkräfte stellen auch einen Tierarzt mit der Fachrichtung Pferdemedizin.

Die Bundeswehr kümmert sich um die Überwachung der Flugverbotszone, diese hat einen Radius von 57 Kilometern. Um Drohnen zu erkennen, wird mit einem zusätzlichen Radar der Nahbereich überwacht. Mit zwei Unterwasserdrohnen sollen Bereiche von Elbe und Alster nach Sprengsätzen abgesucht werden. Auch Spezialisten für biologische und chemische Kampfstoffe stellt die Bundeswehr ab. Von der Marine kommen drei Hubschrauber – und ebendas Landungsboot samt Besatzung.

Die Bundeswehr war von Anfang an bei den Gipfel-Planungen eingebunden – in einer passiven Rolle, wie von Regierungsseite stets betont wird. Wie viele Bundeswehrvertreter im Führungsstab der Polizei sitzen, wollte die Polizei nicht sagen. Beim OSZE-Ministerratstreffen im Dezember waren es zwei Verbindungsbeamte.

Komparsen in der Elbphilharmonie

Nach taz-Recherchen wurden zudem einige Dutzend Soldaten vor drei Wochen bei einer morgendlichen Übung in der Elbphilharmonie eingesetzt. Sie waren in Zivil und sollten die Besucher mimen, die im Falle eines Anschlags aus dem Gebäude gebracht werden.

Ein Sprecher des Landeskommandos Hamburg bestätigte das auf Anfrage und betont, die Soldaten hätten lediglich eine Komparsenrolle gehabt. Die Übung sei von der Polizei durchgeführt worden und es habe keine weitere gegeben.

Die Bundeswehr hat vom 5. bis zum 9. Juli ein Uniformverbot für Hamburg verhängt. Soldaten, die gerade keine Amtshilfe leisten, dürfen nur in Privatkleidung unterwegs sein. Man wolle damit „unnötige Provokationen“ und mögliche spontane Angriffe von Gipfelgegnern vermeiden.

In Hamburg lässt sich auch die Entwicklung beobachten, dass Polizisten zunehmend mit Waffen ausgestattet sind, die sonst im Krieg verwendet werden. Es sind Beamte der neuen Spezialeinheit BFE+ im Einsatz. Es handelt sich dabei um Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten, die in der Lage sein sollen, jederzeit in den Terror­modus umzuswitchen.

Kurzes Sturmgewehr

Dafür sind sie mit einer kurzen Version des Sturmgewehrs G36 ausgerüstet, das die Bundeswehr standardmäßig benutzt. Nach dem Angriff auf die Redaktion von Charlie Hebdo in Paris wurde der Aufbau der BFE+ in die Wege geleitet, pünktlich zum G20-Gipfel sind an fünf Standorten je 50 Beamte einsatzbereit. Wie viele davon nach Hamburg geschickt werden, wollte die Bundespolizei nicht sagen.

Auch die Hamburger Polizei hat im vergangenen Jahr 130 Sturmgewehre angeschafft. Diese können die beiden BFE-Einheiten im Bedarfsfall an einem zentralen Ort abholen. Zu den Kriegsgewehren dürfen die Polizisten allerdings ausschließlich bei einer schwerwiegenden Bedrohung wie einem Terror­angriff greifen.

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