Bundeswehreinsätze im Inland: Für jede Partei was dabei
Das Urteil des Verfassungsgerichts zu Militäreinsätzen im Inland ist weniger eindeutig als gedacht. Von den fünf Parteien im Bundestag hat jede eine eigene Interpretation.
BERLIN taz | Ein Urteil, fünf Meinungen. Die Entscheidung der Verfassungsrichter zum Einsatz der Bundeswehr im Inland sorgt bei der Union für Freude. Die sieht ihre Haltung bestätigt, dass derlei Einsätze grundsätzlich erlaubt sein müssen. Hingegen halten die Grünen das Urteil für eine Schlappe der Union, ähnlich die FDP. Die SPD kritisiert die Entscheidung als unzureichend, die Linke findet sie gar gefährlich.
„Das ist alles nicht neu“, sagte der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Omid Nouripour, der taz. Das Hinzuziehen der Bundeswehr im Rahmen der Rechts-, Amts- und Katastrophenhilfe sei bereits im Grundgesetz vorgesehen. Ausschließlich in „Ausnahmesituationen katastrophischen Ausmaßes“ dürfe man die Armee rufen. „Deshalb ist das Urteil eine schallende Ohrfeige für die Union und ihre mantrahaft vorgetragene Forderung, die Bundeswehr im Inland einzusetzen. Sie sollte endlich diese Debatte begraben.“
Ähnlich urteilt die FDP-Sicherheitsexpertin Elke Hoff: „Der Versuch konservativer Politiker, die Bundeswehr beispielsweise bei Großdemos oder zum Abschuss von entführten Passagierflugzeugen einzusetzen, ist hiermit gescheitert“, sagte Hoff der taz. „Das Urteil bestätigt die bisherige Haltung meiner Fraktion, die einen Abschuss von entführten Passagierflugzeugen stets abgelehnt hat.“
Hingegen hält die SPD das Urteil für zu vage. Das Karlsruher Gericht lasse „alle Verantwortlichen hilflos zurück, wenn es von ’Ausnahmesituationen katastrophischen Ausmaßes‘ spricht, die eine Ausnahme rechtfertigten. Nirgendwo werden diese definiert oder Beispiele dafür genannt“, sagte der SPD-Innenexperte Michael Hartmann.
Die Union sieht sich durch das Urteil in ihrer Haltung bestätigt, dass Militäreinsätze im Inland grundsätzlich möglich sein müssen. Es könne terroristische Anschläge geben, „bei deren Abwehr die Polizei alleine überfordert und es deshalb unverantwortlich wäre, auf die Bundeswehr nicht zurückzugreifen“, sagte der innenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Hans-Peter Uhl (CSU).
Einen möglichen Tabubruch sieht Ulla Jelpke (Linke) im Urteil. „Nun ist eine Tür geöffnet, durch die Law-and-Order-Politiker gehen können, um mit herbeiphantasierten Staatsgefährdungen auch den Einsatz der Bundeswehr mit militärischen Mitteln bei Großdemonstrationen und politischen Massenstreiks in der drohenden Hinterhand zu halten“, urteilt Jelpke.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana