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BundeswehrForscher halten Einsätze für planlos

Deutschen Auslandsmissionen fehlen "klare Linien", kritisieren führende Friedensforscher. Auch die Kosten halten sie für unangemessen.

"Konzeptionelle Schwächen": Bundeswehrsoldat in Afghanistan Bild: dpa

Die fünf führenden Friedensforschungsinstitute in Deutschland fordern, die Bundeswehreinsätze im Ausland zu korrigieren. Die "sprunghaft gestiegenen" Missionen litten unter Konzeptlosigkeit und dem Mangel an "klaren Linien", sagte Bruno Schoch von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HFSK) bei der Vorstellung des Friedensgutachten 2007 in Berlin. Alle zukünftigen Einsätze müssten daher gründlich bewertet werden und sich an konkreteren Kriterien als bisher orientieren, heißt es in dem Bericht.

Besonderes am Beispiel des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan machen die Forscher erhebliche "konzeptionelle Schwächen" aus. So sei es unangemessen, wenn die Einsätze dort jährlich 450 Millionen Euro kosteten, während für den zivilen Aufbau lediglich ein Viertel des Betrags verwendet würden. Zudem würden rund 80 Prozent der internationalen Hilfsgelder am afghanischen Staat vorbei an Nichtregierungsorganisationen geleitet. Dies sei, so Schoch, "ein Staatsaufbau am Staat vorbei", der nicht im Interesse der Geberländer sein könne.

Deswegen fordern die Gutachter, militärische Einsätze laufend anhand von konkreten Leitlinien zu prüfen und zu bewerten. Sich der Rechtmäßigkeit der Einsätze und ziviler Alternativen zum militärischen Engagement zu vergewissern sei dabei ebenso entscheidend, wie zwischen friedenspolitischen und funktionalen Gründe zu unterscheiden. In Zukunft dürften Bündnisverpflichtungen oder Wünsche nach einem ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat nicht als Begründung für Interventionen angeführt werden, betonte Schoch.

Vor dem Hintergrund des Hindukusch-Einsatzes käme man in Zukunft auch an Rückzugsstrategien nicht vorbei. "Momentan ist das aber Tabu", kritisierte Schoch. Stattdessen erhalte man die militärische Präsenz mit der einfachen Begründung aufrecht, eine Niederlage sei schlicht nicht hinnehmbar. An diesem Punkt müsse man "die Tür aufmachen", um Abzugsdiskussionen zu ermöglichen. In ihrem Gutachten diagnostizieren die Friedensforscher außerdem ein "neues und gefährlicheres Atomzeitalter".

Die Kernwaffenmächte, allen voran China und die USA, modernisierten "unnachgiebig" ihre Arsenale, heißt es in dem Gutachten. So würden Nichtverbreitungsabkommen systematisch untergraben und Diktatoren angestachelt, "sich vor erzwungenem Regimewechsel mittels Atomwaffen" zu schützen. Zu den Herausgebern des jährlich vorgelegten Friedensgutachtens gehören neben der HFSK das Bonn International Center for Conversion (BICC), die Heidelberger Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft und das Institut für Friedensforschung an der Universität Hamburg.

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