Bundeswehr im Internet: Blumen, Panzer und Musik
Seit kurzem verfügt die Armee über einen Youtube-Kanal und ist auf Flickr vertreten. Bei ihrer Online-Offensive gerät sie aber in den Hinterhalt der unkontrollierbaren Partizipation.
Genau zwei Wochen Online-Erfahrung liegen hinter der Bundeswehr auf ihrem neuen Interaktivitätskurs. Ein eigener Premiumkanal auf Youtube, der laut Bundeswehr weiter ausgebaut werden soll, sowie die Möglichkeit, mithilfe des Portals Flickr "Fotos aus erster Hand" hochzuladen, bietet man aktuell im Netz. Die Bundeswehr gibt sich bürgernah und zeitgemäß, alles riecht nach Imagewandel. Dabei hat das Vorgehen der zuständigen PR-Abteilung bisweilen amateurhafte Züge.
So musste etwa für den Youtube-Kanal eine Kommentarfilterung eingesetzt werden, die verhindert, dass rechtswidrige Beiträge die Runde machen. Man sei sehr tolerant, was die geposteten Kommentare anbelange, versichert ein Sprecher des Ministeriums gegenüber der taz. "Von der Bildschirmfläche verschwindet nur, was gegen das Gesetz verstößt." Wie lange aber die Bundeswehr sich auf ihrem eigenen Kanal noch anpöbeln lassen will, bleibt abzuwarten.
Auch im Falle des Flickr-Auftritts dürfte es nicht lange dauern, bis ungewünschte Bildchen in den Zusammenhang mit der Armee gebracht werden. Als Suchmechanismus wurde sich auf die Eingabe des Wortes "Bundeswehrfotos" beschränkt. Jeder Flickr-Nutzer, der seine eigenen Bilder für bundeswehrtauglich hält, kann sie so verschlagworten. Nur wer über die Homepage der Bundeswehr das Portal Flickr aufsucht, gelangt direkt zu "augustinfotos", so der pfiffige Nutzername, der sicherlich als Anspielung auf den Sitz der Öffentlichkeitsabteilung in Sankt Augustin bei Bonn zu verstehen ist.
Bis jetzt zeigt sich die Nutzergemeinde jedoch erstaunlich gesittet. Nur ein gewisser Olaf fällt aus der Reihe. Er hielt es für ratsam, die Galerie mit seinen Blumenfotos zu verschönern. Ganze 100 habe er in petto. Einige davon erscheinen nach Eingabe von "Bundeswehrfotos" bereits auf den ersten Seiten. Dagegen sehen Militärorchester und durchtrainierte Athleten (ja, die Bundeswehr begeistert sich auch für Musik und Sport) richtig alt aus.
So harmlos wie Olaf dürften sich nicht alle Nutzer verhalten. Die Frage stellt sich, ob man bei der Bundeswehr die gesteigerten Partizipationsmöglichkeiten des Web 2.0. womöglich falsch eingeschätzt hat. Mit-mach-Netz für alle: Der Schuss kann auch nach hinten los gehen..
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