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Archiv-Artikel

Bundeswehr auf dem Rückzug

Dreizehn Bundeswehrstandorte in NRW sind von den Schließungsplänen des Verteidigungsministers betroffen. Der Städtetag fordert nun von Bund und Land Finanzhilfen für die betroffenen Kommunen

VON ULLA JASPER

Die Bundeswehr als Wirtschaftsfaktor – für viele Kommunen in Nordrhein-Westfalen war das bisher die Realität. Umso schmerzhafter werden für die Kommunen nun die angekündigten Standortschließungen. Der nordrhein-westfälische Städte- und Gemeindebund fordert deshalb von Bund und Ländern finanzielle Unterstützung für die „demilitarisierten“ Städte.

„Ohne zusätzliche Mittel wird der Strukturwandel in vielen betroffenen Kommunen nicht gelingen“, erklärte gestern der Vizepräsident des NRW-Städte- und Gemeindebunds, Roland Schäfer. Von der Bundesregierung forderte er, einen Konversionsfonds für die Städte und Gemeinden einzurichten, aus denen die Bundeswehr sich zurückziehen wird. Als Begründung führte er an, dass die Städte sich in ihrer bisherigen Planung, vom Straßenbau, über die Ver- und Entsorgung bis hin zur Siedlungsentwicklung, auf die Bedürfnisse der Bundeswehr eingestellt habe. „Die Gemeinden akzeptieren die Entscheidung der Bundeswehr – aber jetzt sind Bund und Länder in der Pflicht, sie bei der Gestaltung des Wandels zu unterstützen“, so Schäfer.

Das Verteidigungsministerium hatte im November bekannt gegeben, dass dreizehn Standorte in NRW geschlossen und die Zahl der militärischen und zivilen Stellen von 48.000 auf 39.000 reduziert werden sollen. Das neue Stationierungskonzept der Bundeswehr sieht vor, dass die Truppenteile ab dem Jahr 2010 an 392 Standorten konzentriert werden sollen. Besonders von den Schließungsplänen betroffen sind Coesfeld und Düsseldorf, wo in den nächsten vier Jahren insgesamt rund 3.000 Dienststellen abgebaut werden. Darüber hinaus werden vor allem kleinere Standorte geschlossen, an denen auch heute schon nur noch wenige Dutzend Beschäftigte arbeiten.

Der Städte- und Gemeindebund fordert, dass die Bundeswehr die frei werdenden Grundstücke selbst von Altlasten befreit. Zudem sollen alle Grundstücke und Immobilien in einem zentralen Fonds erfasst werden, um zu verhindern, dass sich der Bund, als Noch-Eigentümer, die Filetstücke herauspicke und selbst vermarkte, während andere, weniger attraktive Flächen brach liegen. So könnten Gewinne aus dem Verkauf profitabler Grundstücke in die Vermarktung anderer Flächen investiert werden. Gleichzeitig sollen Kommunen Flächen selbst vermarkten können, wenn sie wollen.

Auf Finanzhilfe des Verteidigungsministers können die Städte jedoch nicht hoffen. Der Bund sei sich zwar darüber im Klaren, welche Probleme vor Ort mit dem Umbau der Bundeswehr verbunden sind. Doch „wenn Sie von mir Geld haben wollen, dann sind Sie hier an der falschen Stelle“, erklärte Peter Struck (SPD) bei einem Treffen mit den (Ober-) Bürgermeistern der betroffenen Kommunen.

Den schwarzen Peter schob Struck statt dessen den Ländern zu: Die Bundesregierung plane kein eigenes Konversionsprogramm, der „unumgängliche Strukturwandel“ liege in der Verantwortung der Länder. Immerhin: Bei Fragen und Problemen könnten sich die Kommunen ja an die gemeinsame „Koordinierungsstelle für Konversionsfragen“ des Finanz- und Verteidigungsministeriums wenden, so Struck. Dort verfüge man über vielfältige Konversionserfahrungen.

Oppositionspolitiker von CDU und CSU kritisierten im Bundestag Strucks Entscheidung, kein eigenes Konversionsprogramm aufzulegen. Norbert Walter-Bojans, Staatssekretär im nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministerium, erklärte jedoch, dass es für Kommunen, die innovative Umnutzungsprojekte entwickelten, durchaus möglich sei, neue Förderquellen zu erschließen: „Wer findig ist, kann mit guten Ideen vielleicht auch aus anderen Fördertöpfen wie dem Innovationsprogramm Mittel beantragen.“

Auch Konversionsexperten wie Lars Wirkus vom Internationalen Konversionszentrum Bonn (BICC) raten den Kommunen, die Standortschließungen als Chance zu begreifen. Die Schließung sei „für viele Kommunen eine Chance auf einen wirtschaftlichen und städtebaulichen Neuanfang“.