Bundeswehr-Einsätze im Innern: Esel fürs Vaterland
Einsätze der Bundeswehr innerhalb Deutschlands werden immer häufiger, mitunter muten sie absurd an. Ist das eine "Strategie, die auf den Gewöhnungseffekt setzt"?
BERLIN taz | Zehn Esel und fünfzehn Soldaten wollte die Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege sich gern von der Bundeswehr ausleihen - um Anfang Juni 2010 nicht selbst den schwierigen Transport durchs Gebirge bei der Kleinrechenbergalm in Unterwössen meistern zu müssen. Sie bekam Hilfe: von der 10. Panzerdivision, einer Teilstreitkraft des Heeres. Dies ist nur ein Fall von immer häufiger werdenden Bundeswehreinsätzen im Innern, wie eine Auswertung der Linksfraktion im Bundestag zeigt.
Allein 71 Amtshilfemaßnahmen hat die Bundeswehr demnach 2010 durchgeführt - und damit einen neuen Höchststand erreicht. In verschiedenen Kleinen Anfragen hatten die Linken wissen wollen, wann und wo 2010 innerhalb Deutschlands auf Ressourcen der Bundeswehr zurückgegriffen wurde. Nachdem die Bundesregierung geantwortet hat, lautet die Bilanz: Mit 71 Amtshilfen hat sich die Zahl gegenüber 2008 mehr als verdoppelt. Damals gab es 31 solcher Einsätze, 2009 dann 44.
Dabei ist das Einsatzspektrum der Soldaten weitreichend: So wurde etwa im November 2010 militärische Infrastruktur genutzt, als tausende Polizisten bei den Castorprotesten im Wendland untergebracht werden mussten. Anlässlich des 1. Mai 2010 stellten die Streitkräfte in Berlin und Erfurt Unterkünfte, Verpflegung und Telefonanschlüsse zur Verfügung, um die "polizeiliche Bewältigung der Einsatzlage" zu erleichtern.
Auch bei den Naziaufmärschen in Dresden 2010 und 2011 griff die Polizei auf militärische Amtshilfe zurück, wie eine Polizeisprecherin am Mittwoch der taz bestätigte. Auch im zivilen Bereich wird die Bundeswehr immer öfter beansprucht. 2010 beantragte etwa der Schlittenverband Hilfe für die Durchführung der Bob- und Skeleton-Weltmeisterschaft. Soldaten halfen beim Kirchentag in München und bei der Hochwasserbekämpfung.
Die Linksfraktion sieht in der Zunahme der Maßnahmen eine "politische Strategie, die auf den Gewöhnungseffekt setzt", so Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin. "Wenn es sich auch oft um Hilfen bei Naturkatastrophen handelt, muss doch die Frage gestellt werden, warum die zivilen Kapazitäten des Katastrophenschutzes nicht ausgebaut werden, sondern Länder und Kommunen in derartigem Maße auf Unterstützung durch das Militär angewiesen sind."
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