Bundeswehr-Aufstockung: SPD-Zustimmung erwartet
Die SPD stellt eine Zustimmung zu dem verändertem Mandat in Aussicht, wenn 2011 der Truppenabzug aus Afghanistan beginnt. Die Koalition behält sich jedoch vor, den Abzug zu verzögern.
Die SPD wird aller Voraussicht nach einem neuen Afghanistan-Mandat samt Truppenaufstockung zustimmen. Nach einigen scharfen Attacken auf den Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) erklärte SPD-Chef Sigmar Gabriel am Mittwoch im Bundestag: "Wir begrüßen diesen Strategiewechsel", der im aktualisierten Afghanistan-Konzept der Regierung stehe. Es handle sich seiner Ansicht nach nicht nur um einen Wechsel in Afghanistan, sondern um einen Wechsel weg von Guttenbergs Kriegsrhetorik der vergangenen Monate hin zur Linie der SPD.
Die SPD sei "nicht überzeugt, dass es 850 weitere Soldatinnen und Soldaten braucht", sagte Gabriel. Die Zustimmung der SPD zu einem Mandat hänge "entscheidend davon ab", dass die Regierung sich darauf einigen könne, im Jahr 2011 mit dem Rückzug der deutschen Truppen zu beginnen, erklärte der SPD-Parteichef.
Damit spielte er darauf an, dass es am Dienstag einige Verwirrung darüber gab, ob die Bundesregierung tatsächlich mit der Ankündigung eines Truppenabbaus 2011 zur internationalen Afghanistan-Konferenz am Donnerstag in London ziehen wird. In ihrem gemeinsamen Papier schreiben Kanzlerin und die Minister für Innen, Außen, Verteidigung und Entwicklung, sie beabsichtigten, die Truppenteile, "die nicht mehr benötigt werden, ab Ende 2011 zu reduzieren". So könne dann "gegebenenfalls auch der Gesamtumfang unserer Truppen" abnehmen.
Außenminister Guido Westerwelle (FDP), der Deutschland in London vertritt, hatte jedoch in seiner mündlichen Erklärung das "gegebenenfalls" weggelassen. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) unterstrich es dagegen eher.
Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte das "gegebenenfalls" in ihrer Regierungserklärung am Mittwoch ausdrücklich. Ein Bekenntnis zum Abbau der Truppenstärke ab 2011 gab es damit nicht. Merkel erklärte, die Konferenz in London sei "keine Geber- und keine Truppenstellerkonferenz, sondern eine Strategiekonferenz". Sie erwarte davon eine "Weichenstellung", von der Erfolg oder Misserfolg des Einsatzes abhingen.
Die Bundesregierung will nach der Konferenz dem Bundestag ein Mandat zur Abstimmung vorlegen, in dem die deutschen Truppen noch einmal um 850 auf 5.350 aufgestockt werden. Ein weit höherer Anteil der Bundeswehrsoldaten als bislang soll sich der Ausbildung der afghanischen Armee widmen. Gleichzeitig soll die Entwicklungshilfe auf 430 Millionen Euro fast verdoppelt werden. Für die fünf Nordostprovinzen werden konkrete Entwicklungsziele etwa zu Schulbesuch, Strom- und Wasserversorgung formuliert.
Der SPD-Verteidigungspolitiker Hans-Peter Bartels erkannte in der Nennung von Daten im Regierungskonzept ein großes Entgegenkommen. Er stellte gegenüber der taz die Zustimmung seiner Fraktion in Aussicht. "Ein Konsens in dieser Sache ist richtig und vernünftig", sagte er. "Ich war fast überrascht, wie nah das Konzept der Bundesregierung an unseren Vorschlägen liegt."
Zwar hatten Parteichef Sigmar Gabriel und auch Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier noch Anfang der Woche so geklungen, als wollten sie sich mit einer Truppenerhöhung nicht abfinden. Die SPD schien den großen Einsatzkonsens im Bundestag zu beenden. Doch "gegen eine maßvolle Überschreitung der geltenden 4.500-Obergrenze haben wir uns nicht ausgesprochen", sagte Bartels nun. Die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast kritisierte am Mittwoch, wie wenig Selbstkritik Merkel geübt habe. So viele Fragen, wie das Konzept funktionieren könne, seien noch offen. Doch auch die Grünen lehnen ein aufgestocktes Mandat nicht rundweg ab.
Der Afghanistan-Experte vom Bonner Zentrum für Entwicklungsforschung, Conrad Schetter, kritisierte das Regierungskonzept gegenüber der taz als nicht kohärent. "Es hat vor allem mit dem Verhältnis zu den USA einerseits und zur deutschen Öffentlichkeit andererseits zu tun."
Dass nun geplant sei, Taliban verstärkt "herauszukaufen", halte er für "unglücklich". Schon bislang sei dies darauf hinausgelaufen, dass sich plötzlich sehr viele Leute zu Taliban erklärten und das Geld fürs Abschwören aber gern nahmen.
Mehr Geld für Entwicklungshilfe sei begrüßenswert. Es sei aber nicht ausreichend Sorge dafür getragen, dass es sinnvoll verteilt werde. "Bislang funktioniert vor allem das Prinzip: wo gekämpft wird, fließt auch Geld hin. So wird Kampf belohnt", erklärte Schetter. Wichtiger als oft gedacht seien auch große Infrastrukturprojekte wie neue Straßen - "die symbolische Wirkung ist wichtig, und es werden junge Männer damit beschäftigt".
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