■ Bundestagspräsidentin Süssmuth und die Flugbereitschaft: Die WichtigtuerInnen
Der Bericht Hans-Ulrich Kloses zu den angeblichen Verfehlungen seiner Kollegin Rita Süssmuth in Sachen Flugservice verdeckt zweierlei. Erstens den spießbürgerlichen, typisch deutschen Reflex, Politikern alles zu neiden, was für das mittlere Management selbstverständlich ist. Zweitens, daß Politiker und Politikerinnen den Transportservice des Bundesverteidigungsministeriums öfter nutzen, als es ihnen dienstlich tatsächlich zusteht. Es war zwar bis auf wenige Gelegenheiten alles legal, was Rita Süssmuth getan hat – aber legitim ist es nicht.
Tatsache ist, daß das Gros der politischen Elite in Bonn die „Air Rühe“ nutzt wie ein privates und nur ihnen zustehendes Taxiunternehmen. Sie tun dies mitnichten, weil sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln ihre Fahrziele nicht erreichen könnten. Gerade dies hat der Klose-Bericht offengelegt. Selbst für geringe Entfernungen mußten Helikopter und kleinere Jets angefordert werden – wie es nicht nur die Bundestagspräsidentin gemacht hat. Auch Willy Brandt, Kanzleramtsminister Friedrich Bohl oder der Ex-Innenminister Rudolf Seiters: Sie alle ließen sich den Service angelegen sein. Zudem: Weshalb hat Süssmuth die Anfahrten zu ihrem niederländischen Ferienhaus nicht mit dem eigenen Auto absolvieren müssen?
Der Hinweis auf terminliche Dringlichkeiten mutet seltsam an: Auch Politiker müßten sich organisieren können. In Wirklichkeit hat die sogenannte Affäre um Rita Süssmuth gezeigt, daß die Flugzeuge aus dem Hause Rühe allzugern als Mittel im täglichen Nahkampf um Macht und Mächtigkeiten genutzt werden. So wie Manager sich gern von ihren Untergebenen dadurch abheben möchten, daß sie in der Business-Klasse fliegen und nicht per Economy (Volksmund: „Holzklasse“), so zelebrieren Bonns Großpolitiker mittels Rühes Flugstaffel das Gefühl, wichtiger als die Wichtigen – auf den Parlamentshinterbänken, im eigenen Wahlkreis, in der Partei – zu sein.
Nötig wäre nach den Recherchen von Hans-Ulrich Klose eine Regelung, nach der die Flugbereitschaft konsequent nur dann angefordert werden kann, wenn es sich um dienstliche Flüge handelt. Um die Heimfahrten müßten sich die auf Zeit gewählten VIPs privat behelfen. Wenn sie in diesem Falle in die Bredouille kämen, müßten sie sich darum kümmern, ihre Terminkalender durchzupflügen und möglicherweise einiges darin zu streichen. Es deutet nichts darauf hin, daß in einem solchen Falle der politische Betrieb in Bonn nennenswert gelähmt würde – im Gegenteil. Jan Feddersen
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