: Bundestags-Kotau vor Klaus Kinkel
■ Die Abgeordneten der Regierungsparteien lehnen es ab, eine Tibet-Tagung der Friedrich- Naumann-Stiftung zu finanzieren. Selbst der Stiftungschef Otto Graf Lambsdorff stimmt mit
Bonn (taz/AFP) – Alles Reden nutzte nichts: Mit den Stimmen sämtlicher anwesender Abgeordneter der Koalitionsparteien schmetterte der Bundestag gestern den Entschließungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen und SPD zur deutschen China- und Tibetpolitik ab.
Die Antragsteller hatten von der Bundesregierung klare Worte zu chinesischen Menschenrechtsverletzungen und zur seit 1950 anhaltenden Besetzung Tibets gefordert. Des weiteren sollten die ParlamentarierInnen eine Entscheidung von Außenminister Klaus Kinkel zunichte machen. Dieser hatte dem Bundesministerium für Wirtschaft und Zusammenarbeit (BMZ) untersagt, eine Tibet-Tagung der FDP-nahen Friedrich- Naumann-Stiftung mit fast 300.000 Mark zu unterstützen. Die Tagung soll dennoch wie geplant morgen im Bonner Wasserwerk, dem ehemaligen provisorischen Plenarsaal des Bundestages, beginnen. Für die Finanzierung hat die Stiftung genügend private Spender gefunden.
Gegen den Antrag stimmte auch der Chef der Naumann-Stiftung, der Ehrenvorsitzende der FDP, Otto Graf Lambsdorff. Seine Begründung: Er habe die allein in der Verantwortung der Bundesregierung liegende Entscheidung „akzeptiert und respektiert“. Aus den Reihen der Bündnisgrünen erschallte daraufhin der Ruf: „Peinlich!“
Zuvor hatte der außenpolitische Sprecher der Grünen, Gerd Poppe, Kinkel einen „Kotau“ vor einem „diktatorischen Regime“ in Peking vorgeworfen. Dieses habe sich „bedankt, indem es entgegen seiner ursprünglichen Absicht den Bundesaußenminister nach Peking eingeladen hat. Gleichzeitig hat China die Delegation des Unterausschusses Menschenrechte ausgeladen.“ Kinkel will Mitte Juli nach China reisen. Die plötzliche Ausladung der Bundestagsmitglieder war am Mittwoch in Peking mit „Terminschwierigkeiten“ begründet worden. Die Delegierten hatten nicht auf einen Abstecher nach Tibet verzichten wollen.
Die gestrige Debatte fand im Rahmen einer Aussprache über die auswärtige Kulturpolitik der Bundesregierung statt. Eine gesonderte Beratung war am Widerstand der Regierungsparteien gescheitert, die die Debatte am Vortag als „kontraproduktiv“ bezeichnet hatten. Für den Mitarbeiter des Büros Poppe, Reinhard Weißhuhn, ist der Antrag unter anderem gescheitert, weil „der Überraschungseffekt fehlte“. Die Bundesregierung habe ihre Abgeordneten zuvor „auf Linie bringen können“. Tatsächlich hatten sich in den letzten Tagen Politiker aus allen Parteien lautstark über Kinkels Entscheidung empört. jop/taud
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