: Bundestag pflegt das Sparen und spart bei Pflege
■ Sparpaket gebilligt: Weniger Geld für Arbeitslose, Kurzarbeiter, Bauarbeiter und Sozialhilfeempfänger / Pflegegesetz gegen die Stimmen der SPD verabschiedet
Bonn (dpa/taz) – Der Bundestag hat gestern die drei Spar- und Steuergesetze gebilligt: Danach werden vom 1. Januar 1994 an die Leistungen für Arbeitslose, Kurzarbeiter und Bauarbeiter in der Schlechtwettergeld-Phase um drei Prozent, für Betroffene mit Kindern um ein Prozent gekürzt. Der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe bleibt nach dem Vermittlungsergebnis, dem auch der Bundesrat voraussichtlich am nächsten Freitag mit großer Mehrheit zustimmen wird, dauerhaft erhalten. Bei der Sozialhilfe wird eine förmliche Nullrunde vermieden und statt dessen bis Mitte 1996 eine zweiprozentige Steigerung maximal zugestanden. Da allgemein aber von einer Minderung der Nettolöhne ausgegangen wird, an die die Sozialhilfe gebunden wird, bleibt es faktisch voraussichtlich bei der Nullrunde.
Teil des ersten Gesetzes ist auch die Mineralölsteuererhöhung um 16 Pfennig je Liter für Benzin und sieben Pfennig für Diesel, die mit 7,9 Milliarden Mark im nächsten Jahr das Volumen der beiden Spargesetze auf 20,6 Milliarden Mark klettern läßt. Das bisherige Sparpaket nach dem „Spar-, Wachstums- und Konsolidierungsprogramm“ enthält aber auch das Gesetz über die Steuerbereinigung und Mißbrauchsbekämpfung mit Einschränkungen für „Spesenritter“ (Bewirtungskosten). Das so definierte Sparpaket des Bundes von 21 Milliarden Mark verringert sich auf 18,5 Milliarden Mark. Finanzminister Theo Waigel (CSU) kündigte an, er werde die nach dem Vermittlungsverfahren entstandene Lücke von 2,3 bis 2,5 Milliarden Mark im Laufe des Jahres 1994 neben der noch anstehenden globalen Minderausgabe kürzen.
Pflegepaket vom Bundestag gebilligt
Das geänderte Gesetzespaket zur Pflegeversicherung wurde mit der Stimmenmehrheit von CDU/CSU und FDP verabschiedet. Für die SPD machte ihr Sozialexperte Rudolf Dreßler klar, daß die von ihr regierten Länder das nach seinen Worten inhaltlich unzureichende Pflegegesetz mit ihrer Mehrheit im Bundesrat am kommenden Freitag zurückweisen wollen. Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) warnte davor, die Pflegeversicherung so kurz vor dem Ziel scheitern zu lassen. In der streckenweise sehr hitzigen Debatte machten sich die Parteien gegenseitig für ein eventuelles Scheitern verantwortlich. Dreßler verteidigte die Ablehnung des Koalitionsmodells. Seine Partei wolle „ein Solidarmodell ohne Extratouren für bestimmte Gruppen“. Das Koalitionsmodell werde der Forderung nicht gerecht, daß möglichst niemand mehr wegen Pflegebedürftigkeit auf Sozialhilfe angewiesen sei.
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