Bundestag nach der Wahl: SPD zurück auf harten Bänken
Während die SPD ihre neue Rolle sucht, lästert die Linkspartei und die Grünen fordern Meinungsführerschaft. Dabei könnten die drei Parteien bald zusammen arbeiten.
BERLIN taz | Elf Jahre hat die SPD regiert, an die Rolle in der Opposition müssen sich die meisten Sozialdemokraten erst gewöhnen. Dabei wollen sie sich offenbar auch noch Zeit lassen - zumindest was die Besetzung der parlamentarischen Schlüsselpositionen angeht. "Es kann sein, dass wir viele Entscheidungen erst nach dem Parteitag Mitte November treffen werden", sagt der Bildungspolitiker Ernst Dieter Rossmann.
Zumindest thematisch besteht jedoch schon Einigkeit, wie man die neue Regierung angreifen will: "Ganz oben steht das Thema Finanzen und Haushalt", sagt Rossmann, "die unsolide Finanzpolitik, Entstaatlichung und Verteilungsungerechtigkeit lassen die Flanke zum Angriff weit offen." Für die "Achillesferse der Koalition" hält der bisherige haushaltspolitische Sprecher der SPD, Carsten Schneider, gar die Finanzpolitik. "Wir steuern auf ein eklatantes Staatsdefizit zu."
Als weitere wichtige Oppositionsthemen sieht der Parteilinke Rossmann die ökologische Modernisierung der Wirtschaft und die sozialen Sektoren. Personell erwartet er, dass neben dem künftigen Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier auch andere ehemalige Kabinettsmitglieder der Sozialdemokraten in ihren Fachbereichen attackieren - in der Vergangenheit haben sich MinisterInnen nach dem Amtswechsel oft nicht mehr zu früheren Themen geäußert. "Die Kompetenz der Minister muss überall genutzt werden", sagt Rossmann.
Als wahrscheinlich gilt, dass der ehemalige Arbeitsminister Olaf Scholz eine Führungsrolle dabei übernehmen wird, die Union in der Arbeitsmarktpolitik anzugreifen. Einen Vorgeschmack darauf gab es bereits am gestrigen Mittwoch, dem Tag der Vereidigung Angela Merkels zur Bundeskanzlerin und ihres Kabinetts: "Ich rechne damit, dass die Zahl der Mindestlöhne abnimmt", sagte Scholz mit Blick auf den Koalitionsvertrag. "Das ist der Bruch eines Wahlversprechens."
Wie die Sozialdemokraten die Arbeit in den Arbeitsgruppen sortieren, ist noch unklar. Im Gespräch ist, die bisherige Aufteilung aufzulösen, die sich strikt nach den Ausschüssen richtete. "Wir wollen uns in Zukunft mehr untereinander vernetzen", sagt der bisherige umweltpolitische Sprecher der Fraktion, Marco Bülow.
Gilt dies auch zwischen den Oppositionsfraktionen? "Beim Thema Gorleben wäre eine Zusammenarbeit denkbar", sagt Bülow, "in vielen Umweltthemen waren wir schon während der Regierungszeit näher an den Grünen und der Linken als an der Union". Wegen vieler Schnittmengen werde es "gelegentliche Zusammenarbeit in der Opposition geben", kündigte der Fraktionschef der Grünen, Jürgen Trittin, der taz an. "Es gibt hier aber auch Konkurrenz, und die Grünen streben die Meinungs- und Ideenführerschaft in der Opposition an."
Für SPD-Mann Rossmann hängt eine Zusammenarbeit in der Opposition vor allem "davon ab, ob die Linke Realismus entwickelt". Die will von einer gemeinsamen Oppositionsarbeit aber zunächst nichts wissen. "Es gibt keine Koalition in der Opposition", sagt die Linken-Fraktionschefin Petra Pau, "die SPD hat sich auch noch nicht an die neue Rolle gewöhnt".
Geht es nach Marco Bülow, soll das schnell anders sein. "Wir sollten uns nicht lange mit uns selbst beschäftigen", sagt Bülow, "ich habe keine Lust, erst zwei Jahre Opposition zu lernen."
GORDON REPINSKI
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