Bundesratsinitiative aus Berlin: Rot-Schwarz will Schwule entschädigen
Bis 1969 war Schwulsein strafbar - nun gibt es eine Bundesratsinitiative des rot-schwarzen Senats zur Entschädigung von Verfolgten.
Der rot-schwarze Senat will Homosexuelle für Verfolgung durch den Strafrechtsparagrafen 175 entschädigen lassen. Dazu hat die Landesregierung am Dienstag eine Bundesratsinitiative beschlossen. Der Bundestag hatte zwar bereits 2002 Homosexuelle für Verfolgung in der NS-Zeit rehabilitiert und ihnen eine Haftentschädigung zugesprochen. Außen vor blieben aber dabei jene, die durch den im Nationalgesetzbuch verschärften und nach 1945 weiter gültigen Strafrechtsparagrafen 175 noch bis 1969 verfolgt wurden.
„Ein Mann, der mit einem anderen Mann Unzucht treibt oder sich von ihm zur Unzucht missbrauchen lässt, wird mit Gefängnis bestraft“, stand noch mehr als zwanzig Jahre nach Ende der Nazi-Herrschaft im bundesdeutschen Strafrecht. Auch in der DDR stand Homosexualität bis 1968 unter Strafe. „Die junge Bundesrepublik hat die nationalsozialistische Verfolgung der Homosexuellen fortgesetzt“, heißt in einer Dokumentation der Antidiskriminierungsstelle des Landes. „Die von den Nazis verschärften Strafvorschriften wurden beibehalten und ebenso exzessiv angewandt.“
Die zuständige Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen, Dilek Kolat (SPD), sprach nach der Kabinettssitzung am Dienstag von „einem dunklen Fleck in der Geschichte“, in den es mehr Licht zu bringen gelte. Neben der Bundesratinitiative soll es deshalb mehr Forschung und Dokumentation in diesem Bereich geben. Wie viel Geld der Senat dafür ausgeben will und wie hoch die Entschädigungen sein sollen, konnte Kolat nicht sagen. Die Senatorin rief Zeitzeugen auf, ihre Geschichte öffentlich zu machen und sich dazu an die Antidiskriminierungsstelle zu wenden (www.berlin.de/lb/ads).
Nach Kolats Angaben gab es in der Bundesrepublik 50.000, in der DDR – wo das Zahlenmaterial allerdings schwerer ermittelbar sei – 1.800 Verurteilungen wegen Homosexualität. Endgültig verschwand der Paragraf 175 erst 1994 aus dem bundesdeutschen Strafrecht: Zwischen 1969 und 1994 waren homosexuelle Kontakte von Erwachsenen mit unter 18-Jährigen strafbar, während heterosexuelle Kontakte schon mit 16-Jährigen erlaubt waren, was heute generell gilt.
Laut Kolat unterstützen auch andere SPD-geführte Bundesländer die Initiative. Sie geht aber davon aus, dass es auch bei CDU-geführten Ländern im Bundesrat Unterstützung gibt, weil es nicht allein eine Initiative der Sozialdemokraten ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
FDP-Krise nach „Dday“-Papier
Ex-Justizminister Buschmann wird neuer FDP-Generalsekretär
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Selenskyj bringt Nato-Schutz für Teil der Ukraine ins Gespräch