Bundesliga-Fankultur: Bremer Sieg über Kölner Tiraden
Dank des überragenden Marko Arnautovic schlägt Fußball-Bundesligist Werder Bremen den 1. FC Köln 4:2. Die Gäste-Anhänger fallen vor allem dadurch auf, dass sie Werder-Spieler Marko Marin bepöbeln.
So viel versprechend sich die neue Ostkurve auf der Baustelle Weserstadion schon abzeichnet - derzeit beschert sie ihren Besuchern allenfalls halbe Heimspiel-Freuden: Oberrang und Dach fehlen noch, und so sind Werders Stehplatz-Fans auch kleinen Gruppen von Gästeanhängern unterm Westkurven-Dach akustisch hoffnungslos unterlegen. Der sitzende Teil der Bremer wiederum ist traditionell zu bräsig, um in die Bresche zu springen.
Das war auch bei Werders Saison-Heimpremiere nicht anders - solange die Kölner Fans sich darauf beschränkten, das übliche karnevalistische Liedgut zum Besten zu geben. Als sie aber begannen, Marko Marin aufgrund seiner Vergangenheit beim Erzrivalen Borussia Mönchengladbach mit sexistischen Sprechchören niederzumachen, von denen "Hurensohn" noch das zitierfähigste ist, zeigten 30.000 Bremer dann doch, was eine Solidargemeinschaft ist. Mit Stadion füllenden "Marin"-Sprechchören wurden die Hohlköpfe unter den Angereisten weitgehend zum Schweigen gebracht.
Die beste Antwort gab der Beschimpfte allerdings selbst: In der 33. Minute holte er den Elfmeter heraus, den Frings zum 1:0 verwandelte. Bei seiner Auswechslung in der 83. Minute wurde Marin demonstrativ mit Standing Ovations verabschiedet.
Auch der Matchwinner hieß Marko, musste sich seine Sympathiepunkte beim Bremer Publikum aber härter erarbeiten. "Die Bremer werden ihn noch lieben", hatte Trainer Thomas Schaaf über Marko Arnautovic gesagt, als der mit dem Image eines arroganten Selbstüberschätzers aus Mailand an die Weser gekommen war. Dass das Arnautovic-Experiment mit zwei Toren, einer Tor-Vorlage und vielen weiteren guten Aktionen allerdings so schnell Früchte tragen würde, überraschte nun selbst die Vereinsverantwortlichen.
Die Körpersprache des Österreichers macht es tatsächlich nicht leicht, ihn spontan ins Herz zu schließen. Mit nach vorn gerecktem Oberkörper schleppt er sich mitunter über den Platz, als könne er vor Kraft kaum laufen. Als Pluspunkt war bislang hauptsächlich aufgefallen, dass er mit einem ähnlich feinen Fuß ausgestattet ist wie Mesut Özil oder auch der diesmal erst spät eingewechselte Aaron Hunt.
Gegen Köln zeigte er aber erstmals vor heimischem Publikum, dass er seine technischen Fähigkeiten auch effektiv einsetzen kann: Die Kölner Notabwehr konnte sich nie auf seinen großen Aktionsradius einstellen - zu erleben etwa bei der präzisen Hereingabe zum vorentscheidenden 3:1 durch Almeida, der früh für den verletzten Pizarro ins Spiel gekommen war. Und auch in Sachen Zweikampf-Stärke und Defensiv-Verhalten konnte Arnautovic voll überzeugen: "Er hat schon viel von dem gezeigt", lobte Schaaf, "wozu er im Stande ist."
Dass die Bremer trotz großer Überlegenheit zwei unnötige Kopfball-Tore kassierten, lag an bekannten Schwachstellen: Zu leichte Ballverluste nach vorne, zu große Schläfrigkeit nach hinten. Per Mertesacker macht seinem Ruf als Spätstarter alle Ehre - der "Lange" scheint noch nicht auf der Höhe seines Leistungsvermögens angekommen. Aber das waren nur kleine Wermutstropen in einem Werder-Auftritt, der Hoffnung für die Partie bei Bayern München macht.
Noch stolzer als auf ihr Team waren die Bremer nach dem Spiel aber wohl darauf, Teil einer Fankultur zu sein, in der Hasstiraden wie die der Kölner der Vergangenheit angehören.
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