Bundeskunsthalle: Schiffbruch am Rhein

Erfolg und Misswirtschaft: Das Debakel der Ausstellungshalle der Bundesrepublik in Bonn

Ein Publikumsmagnet der KAH: "Russlands Seele" Bild: dpa

"Untreue, Missmanagement, Fehlinformationen gegenüber den Berichterstattern des Haushaltsausschusses des Bundestages" - die Vorwürfe gegen Wenzel Jacob und Wilfried Gatzweiler, den Intendanten und den kaufmännischen Geschäftsführer der Bonner Kunst- und Ausstellungshalle (KAH), wiegen schwer. Sie führten Mitte Mai, nach Vorlage eines Berichts des Bundesrechnungshofes an den Haushaltsausschuss des Bundestages, bereits zum Auflösungsvertrag mit Gatzweiler. Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt gegen beide wegen Untreue und der Vergabe von Freikarten. Nun muss auch der bisher freigestellte Wenzel Jacob gehen, das entschied am Montag die Gesellschafterversammlung aus Vertretern der Länder und des Bundes. Sein Arbeitsvertrag wurde zum 31. Dezember 2007 gekündigt, seine Bestellung zum Geschäftsführer "mit sofortiger Wirkung widerrufen". Der renommierte Schweizer Christoph Vitali, zuletzt Chef der Fondation Beyeler in Riehen bei Basel, wird das Haus mit einem Jahresbudget von zuletzt immerhin 16,8 Millionen Euro zunächst als Interimsintendant leiten.

Es ist nur konsequent, die Verträge mit beiden Leitern aufzulösen, um einen Neuanfang zu ermöglichen. Allein in den letzten fünf Jahren entstand ein Defizit von rund 6 Millionen Euro, indem das Haus als Veranstalter der beliebten Rock- und Pop-Konzerte - unter anderen mit Bob Dylan, Brian Wilson oder Van Morrison - auf dem Museumsplatz auftrat und dabei unverhältnismäßig viele Freikarten vergab (der Bundesrechnungshof nennt 21.000 Karten im Wert von 840.000 Euro). Auch die Reisekosten des Hauses gerieten völlig aus dem Ruder, weil stets Business Class geflogen wurde. Dass die beiden Geschäftsführer sich nicht "lieben", wie es Winfried Gatzweiler in einer Verteidigungsschrift vom 28. Mai formulierte, war ihrer Arbeit naturgemäß nicht förderlich. In seinem Schreiben distanzierte sich Gatzweiler denn auch von Jacob: " kaufmännische und/oder haushalterische Disziplin oder gar Weitsicht entziehen sich hedonistisch geprägten Feingeistern häufig hartnäckig bis gänzlich." Die Zeitschrift Häuser präsentierte den hedonistischen Feingeist und passionierten Segler Wenzel Jacob im Mai 2006 in edlem Ambiente mit Rheinblick: "Zu Hause liebt er es maritim und informell, wie seine weiße Villa beweist."

Ein ungünstiges Licht fällt jedoch auch auf Hermann Schäfer, den Vorsitzenden des Kuratoriums der Bundeskunsthalle seit Juni 2006, und seinen Vorgänger Knut Nevermann. Ihr Gremium erfüllte seine Pflichten nach Ansicht der Prüfer vom Bundesrechnungshof nur "unvollständig" und akzeptierte "erkennbare Mängel in den Vorlagen der Geschäftsführung" sowie "unzureichende Antworten" auf Fragen nach dem Aufwand und Ertrag. Das mag einerseits an der kurzen Einarbeitungszeit Schäfers als Stellvertreter des Staatsministers für Kultur, und damit Vorsitzender des Kuratoriums, liegen. Andererseits war Schäfer als langjähriger Direktor des Hauses der Geschichte direkter Nachbar der Bundeskunsthalle an der Bonner Museumsmeile und mit beiden Geschäftsführern sehr gut bekannt.

In Bonn wird derweil heftig spekuliert, wer dem Erfolgsmodell der Bundeskunsthalle, denn erfolgreich war das von Wenzel Jacobs verantwortete, hochkarätige Programm an überregional bedeutenden Publikumsmagneten wie The Guggenheim Collection, Tutanchamun, Angkor oder zuletzt "Russlands Seele", ans Leder will. Über viele der problematischen Punkte wussten Insider schon lange Bescheid. War es Zufall, dass der Bundesrechnungshof plötzlich so aufmerksam prüfte, oder gab es gezielte Hinweise, um dem Standort Bonn insgesamt zu schaden?

Die Stellungnahme von Staatsminister Bernd Neumann lässt indes keinen Zweifel am Fortbestehen des Hauses: "Das hohe Ansehen, das die Kunst- und Ausstellungshalle bisher zweifellos hatte und das durch die jüngsten Vorgänge stark beeinträchtigt wurde, muss wieder hergestellt und die KAH damit auf eine erfolgreiche Zukunft ausgerichtet werden." Dafür wird sie auf die Rolle des Konzertveranstalters verzichten müssen. Ob die Chancen damit steigen, dass die Konzerte auf dem Museumsplatz aufhören und die städtebauliche Situation wieder in ihren Ursprung von 1992 versetzt wird, ist dennoch fraglich, dafür scheint das Interesse des Konzertbetriebs an dem Ort, den Friedel Frechen, Sprecher der Stadt Bonn, als Magneten bezeichnet, "der Tausende in die Stadt lockt", zu groß.

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