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Bundeskanzlerin Merkel besucht ChinaExportweltmeister unter sich

Merkels Reise zeigt die weltwirtschaftliche Bedeutung der Beziehungen Chinas und Deutschlands. Peking sieht die Kanzlerin bereits als „Frau Europa“.

Stammgast: Merkel mit Premier Wen Jiabao (rechts) bei einem Pekingbesuch im Februar. Bild: dpa

PEKING taz | So häufig hat noch kein deutscher Regierungschef die chinesische Obrigkeit aufgesucht. Zum sechsten Mal in ihrer Amtszeit besucht Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag die chinesische Hauptstadt. Auf dem Plan stehen sowohl Treffen mit Chinas Premierminister Wen Jiabao und Staatspräsidenten Hu Jintao als auch den beiden künftigen Machthabern der Volksrepublik Li Keqiang und Xi Jinping, die voraussichtlich ab März 2013 die Zepter übernehmen werden. Allein in diesem Jahr begegnet Merkel zum dritten Mal ihrem Amtskollegen Wen.

Im Schlepptau der Kanzlerin: Sieben Minister und zwei Staatssekretäre, darunter Finanzminister Schäuble, Umweltminister Altmaier (beide CDU) sowie Wirtschaftsminister Rösler und Außenminister Westerwelle (beide FDP). Es handelt sich um die zweite Regierungskonsultation zwischen beiden Ländern und dürfte die größte politische Delegation aus Deutschland sein, die China jemals besucht hat.

Eigentlich waren diese gemeinsamen Kabinettsgespräche zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht vorgesehen. Denn Merkel war im Februar schon einmal in Peking und vereinbart waren deutsch-chinesische Regierungskonsultationen alle zwei Jahre; das erste Treffen beider Kabinette fand erst vor einem Jahr am Wannsee statt.

Doch Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao hatte um den zweiten Besuch noch für diesen Sommer gebeten. Denn im Oktober beginnt der Führungswechsel. Ab Frühjahr 2013 wird er nicht mehr im Amt sein. Es handelt sich also auch um ein Gefälligkeitsbesuch an den scheidenden chinesischen Ministerpräsidenten.

Regierungskonsultationen nur mit Deutschland

Die Bundesregierung unterhält sonst nur mit sechs weiteren Ländern Regierungskonsultationen, darunter Israel, Spanien und Russland; die USA findet sich nicht auf dieser Liste. Diese Gespräche sollen die Bedeutung unterstreichen, die Deutschland der Volksrepublik politisch und wirtschaftlich zumisst, heißt es aus Kreisen der deutschen Bundesregierung. Auf chinesischer Seite ist Deutschland sogar bislang der einzige Staat, mit dem diese Art von Gespräche abgehalten werden.

Merkel sei eine der wenigen Staatschefs in Europa, der die Chinesen überhaupt noch Vertrauen schenken, analysieren Hans Kundnani und Jonas Parello-Plesner von der britischen Denkfabrik European Council on Foreign Affair (ECFR). „Die chinesische Führung sieht Angela Merkel als 'Frau Europa', einen Gesprächspartner, dem man zuhört, wenn es um Handel, die Eurokrise und die Menschenrechte geht“, schreiben die Außenpolitikexperten.

Das restliche Europa laufe dabei Gefahr, ins Abseits zu geraten. „Die meisten Chinesen stimmen Deutschlands Vorgehen in der Krise in der Euro-Zone zu“, sagt auch Song Xinning, Europaexperte an der Renmin-Universität in Peking.

Tatsächlich sorgen sich auch die Chinesen um die Stabilität des Euro. 1,3 Billionen Dollar hält die Volksrepublik derzeit an Devisenreserven, einen Teil hat sie auch in Staatsanleihen europäischer Länder investiert. Bricht der Euro auseinander, würde auch das chinesische Vermögen schrumpfen.

Chinesische Investitionen gegen die Eurokrise

Merkel erhofft sich von ihrem Besuch nicht nur, dass sich die Volksrepublik bei der Bewältigung der Schuldenkrise in Europa noch stärker beteiligt als bisher. Große Hoffnung setzt die Bundesregierung auf das Engagement des chinesischen Staatsfonds CIC mit einem Investitionsvolumen von fast einer halben Billion Dollar. Für Donnerstagabend ist ein Treffen mit Vertretern der chinesischen Finanzwirtschaft vorgesehen.

Die gegenseitige Wertschätzung der beiden größten Exportnationen zeigt sich auch an den Wirtschaftsdaten. Allein 2011 lag das Handelsvolumen mit 144 Milliarden Euro so hoch wie bei keinem anderen nicht-europäischen Land. Die deutschen Direktinvestitionen in der Volksrepublik belaufen sich aktuell auf 26 Milliarden Euro, in umgekehrter Richtung sind es 1,2 Milliarden – jedoch mit stark steigender Tendenz.

Die Übernahme des Baufahrzeugherstellers Putzmeister und Gabelstaplerherstellers Kion durch chinesische Unternehmen dürften ein Anfang sein. Mindestens 20 Vertreter der deutschen Wirtschaft sind Teil der Delegation. Sie erhoffen sich die Unterzeichnung weiterer Großaufträge.

Die oppositionellen Grünen werfen Merkel vor, dass sie bei ihrem Besuch zu sehr auf Wirtschaftsthemen setze, sich jedoch nicht ausreichend für die Menschenrechte in China stark mache. Die Bundesregierung widerspricht: Ein Zeitfenster sei auch für Vertreter der chinesischen Zivilgesellschaft vorgesehen.

Während Merkels Minister sich am selben Abend bereits in den Flieger gen Deutschland setzen, reist die Kanzlerin am Freitag in die ostchinesische Hafenstadt Tianjin. Bei diesem Termin geht es um Folgeaufträge für den Flugzeugbauer Airbus.

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5 Kommentare

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  • RS
    Reinhold Schramm

    zu: @Brandt.

     

    Die Lebenshaltungskosten für eine "durchschnittliche" chinesische Familie liegen zwischen 80 Euro und 800 Euro im Monat, je nachdem wo und wie die Familie lebt.

     

    "Trotz Lohnnebenkosten von bis zu 100 Prozent liegen die Lohnkosten eines chinesischen Industriearbeiters noch um einen Faktor 15 unter denen eines deutschen. In Küstennähe können diese Kosten jedoch um den Faktor 1,9 steigen. {...} Für Industriearbeiter verbleibt dann immer noch ein Lohnkostenvorteil von Faktor 4,6. {...} Für arbeitsintensive Tätigkeiten, die keine zu hohe Qualifikationen voraussetzen, rechnet sich eine Verlagerung von Wertschöpfung in den meisten Fällen. Aber gerade für Spezialisten bieten andere Länder wie beispielsweise Indien eventuell eine bessere Kostenbasis." (Bezug: Lohnkostenvorteile für deutsche Unternehmen in China etc.) -

     

    Empfehlung: weitere Informationen bei den Monopolverbänden von BDI und BDA bzw. beim realen staatsmonopolistischen 'Bundeswirtschaftsministerium der Deutschen Industrie und Monopolbourgeoisie' etc.

  • B
    Brandt

    Die Schlagzeile "Exportweltmeister unter sich" ist irreführend. Die Exportstruktur Chinas und Deutschland ergänzen sich - d.h. beide Volkswirtschaften haben ein sehr starkes Interesse am Freihandel.

     

    Jedoch exisitiert ein wichtiger Unterschied zwischen dem Exportmodell Deutschlands und Chinas.

     

    China exportiert neben Gütern des täglichen Bedarfes auch seine Ersparnisse in die USA, was den us-amerikanischen Konsumenten einen hohen Lebensstandart aber auch sehr hohen Kredit verschafft. Die Handelsbeziehungen in Chinamerica stützt die US-Hegemonie und trägt zur Dominanz der USA bei.

     

    Deutschland ist ein Zielgebiet von US Fonds, die Aktienpakete und Anleihen in Deutschland finanzieren. Die Eigentumsverhältnisse deutscher DAX-Unternehmen werden so stückweise zugunsten von US Fonds verschoben. Chinesische Investoren kaufen eher angeschlagende KMU's auf, die ohnehin nicht überlebensfähig sind.

     

    Die chinesische Volkswirtschaft trägt daher auf indirekte Weise dazu bei, dass die deutschen DAX-Unternehmen amerikanisiert werden bei den Stimmverhältnissen. Denn sie polstern die Kaufkraft des US Konsumenten mit Kredit aus dem Export ihrer Ersparnisse, die US Unternehmen abschöpfen können, um die "Kriegskasse" der US Fonds auszufinanzieren.

     

    Aus Sicht der deutschen Gewerkschaften und des Prekariats wäre daher die Reform des chinesischen Finanzinstitutionen und die Förderung lokalen Unternehmertums wichtig, um die chinesischen Investitionen von den US Fonds umzulenken. Die kurzfristig orientierte shareholder value Kultur von US Fonds macht es für die deutschen Gewerkschaften auf die Dauer unmöglich die Sozialpartnerschaft von Kapital und Arbeit fortzusetzen.

  • B
    Brandt

    @Reinhold Schramm

     

    Ihre Auffassung zur Weltwirtschaft hat einen entscheidenden Haken. Wenn die Lohnkosten entscheidend sind für Produktionsverlagerungen, weshalb ist nicht Haiti die "Fabrik der Welt" ?

     

    Ihr panikmachender Lohnkostenvergleich ist absolut nichtssagend, weil es auf die Kaufkraft an kommt. Nominelle Geldwerte haben keinen Aussagewert.

     

    Ihre Vorstellungen erklären auch nicht weshalb die Exportüberschüsse der BRD und Chinas in etwa der gleichen Größenordnung liegen, während Frankreich, Japan und die USA wesentlich weniger exportieren. Die internationale Arbeitsteilung wird bei ihnen zu einer Frontstellung Deutschland und Resteuropa gegen China. Das ist sinnfrei, weil die Exportstruktur viel mehr auf eine Konkurrenz zwischen europäischen Volkswirtschaften, den USA und Japan schliessen läßt.

     

    Warum glauben Sie eigentlich so stark daran, dass die niedrigen Lohnkosten die Bedrohung für die Arbeitsplätze sind. In den Statistiken geht das Gros an qualitativ hochwertigen Arbeitsplatzverlusten durch politische Reformen im Arbeitsmarkt verloren, ein weiterer riesiger Posten ist verursacht durch den technologischen Fortschritt.

     

    Es ist wesentlich profitabler die Konkurrenz mit technologischen Innovationen abzuhängen als den Weg der globalen verteilten Produktion zu gehen. Für eine global verteilte Produktion muss man die Firmenkultur umorganisieren, die Buchführung, die Supply Chains und die Produktionswirtschaft reorganisieren. D.h. neben der Peopleware und Hardware verursacht das so hohe Kosten, dass es wesentlich preiswerter nur durch Innovation Arbeitsplätze einzusparen.

     

    Es ist auch preiswerter niedrige Lohnkosten im Inland durch die Hartz 4 Reformen und einer Schar an Leiharbeitern, Minijobbern und älteren Rentnern herzustellen. Durch geschickte Schichtplanung kann man auf diese Weise Vollzeitstellen in mehrere Teilzeitstellen aufspalten und Lohnnebenkosten einsparen. Niedrige Lohnkosten erhält man auch, wenn man den Spielraum der Löhne nach unten erweitert. D.h. man macht etwas bei den Lebensmittelpreisen, sozialen Wohnungsbau und Mieten. In der EU wurden dafür Agrarsubventionen für niedrige Lebensmittelpreise verwendet. Eine ebenso populäre Methode ist es rechtlose, illegale Migranten in Spanien, Italien und Griechenland für die billige Lebensmittelproduktion einzusetzen. Auf dem Wohnungsmarkt arbeitet man mit Höchstmieten und fördert den bezahlbaren Wohnungsbau mit Subventionen und Bürgschaften.

     

    Die Sozialpolitik ist also in Wirklichkeit eine versteckte Lohnpolitik, die den Schwankungsspielraum nach unten erweitert.

     

    Sie projizieren die Probleme der deutschen Arbeiter und unteren Mittelschicht-Milieus auf einen monokausalen China-Faktor. Das ist jedoch nur eine Presse-Ente. Sie lenken einfach von den nahen Ursachen und Handelnden ab.

  • RS
    Reinhold Schramm

    Hinter der jeweils regierenden Fassadenmalerei: Produktionsverlagerung der deutschen und europäischen Industrie (nicht nur) nch China.

     

    Kosten- und Gewinnvorteile: 1. Der kapitalistische Absatzmarkt für die nächsten fünfzig Jahre ist in Asien. 2. zunehmend hochqualifizierte Billigarbeitskräfte (für wenigstens zwanzig Jahre). 3. Massenproduktion (und Absatz) vor Ort. Hoher Umsatz, Gewinn und Profit (wie er bei Arbeit und Produktion in Deutschland und Europa nicht möglich wäre (auch aus Umweltschutzgründen nicht; Transport etc.).

     

    Zahlen, nur zum Lohnkostenvergleich - bzw. zum Lohnvorteil China vs. Deutschland (in Prozent, allerdings noch aus dem Erhebungsjahr 2005):

     

    Industriearbeiter: Lohnvorteil 94 %, Lohnkosten in China 2,00 Euro/Std., in Deutschland 31,40 Euro/Std.

    Verkäufer: Lohnvorteil (für den Unternehmer/Aktionär) 82 %, Lohnkosten in China 3,20 Euro/Std., in Deutschland 19,80 Euro/Std.

    Chefsekretär: Lohnvorteil (für die Firmeneigentümer) 82 %, Lohnkosten in China 5,3 Euro/std., in Deutschland 29,80 Euro/Std.

    Ingenieur: Lohnvorteil 79 %, Lohnkosten in China 8,10 Euro/Std., in Deutschland 45,80 Euro/Std.

    Abteilungsleiter: Lohnvorteil 54 %, Lohnkosten in China 12,60 Euro/Std., in Deutschland 60,50 Euro/Std.

    Produktmanager: Lohnvorteil (für Eigentümer und Aktionäre) 54 %, in China 24,4 Euro/Std., in Deutschland 53,20 Euro/Std.

     

    Lohnarbeiter verdienten in Deutschland im Jahr 2005 noch fünfzehnmal mehr, Produktmanager doppelt so viel. Auch bei jährlichen Lohnsteigerungen um 10-15 % bleibt es noch für zwanzig Jahre bei einer großen Differenz. = Hier sorgt auch der deutsche BDA-Monopolverband und seine jeweilge Bundesregierung langfristig für einen Abbau der Einkommensdifferenz - zwischen Deutschland/Europa und China/Asien. Siehe unten:

     

    - - -

     

    Mit der Produktionsverlagerung bzw. Industrieverlagerung (einschließlich der europäischen Arbeitsplätze) findet gleichzeitig z. B. in Deutschland eine erfolgreiche Reduzierung der Löhne und Vergütungen für Hochqualifizierte und akademische Berufe statt. So mit dem vorgesehenen 'Import' von hochqualifizierten Fachkräften aus europäischen Armutsregionen, aus Entwicklungs- und Schwellenländern, - für rund 60 % der bisherigen Löhne. Siehe beim BDA-Unternehmerverband die erfolgreich durchgesetzte Regelung für ausländische Fachkräfte: Einstellungs-Jahresgehalt von rund 40.000 Euro (in der Vergangenheit für analoge akademische Fachkräfte rund 66.000 Euro im Jahr). (Bitte in den BDA-Internetseiten nachsehen).

     

    (Dies sind nur wenige ungeschminkte Anmerkungen zur deutschen und europäischen privaten Kapitalverlagerung auf den Zukunftsmarkt - für Gewinn und vor allem Profit.)

  • C
    Celsus

    Und es sollten sich alle mal fragen, ob die Exportüberschüsse wirtschaftlich nicht sinnvoll sind - egal ob von China oder Deutschland im "Wirtschaftskrieg" errungen. Niemand sollte andere in die Schuldknechtschaft treiben wollen. Die ethische Verantwortung spricht für eine fairen handel, bei dem beide Vorteile erzielen und niemand konkurrenzmäßig den anderen benachteiligt.

     

    Es braucht eine neue und gelebte Wirtschaftsethik. Exportüberschüsse hingegen bilden selbst für das Land der glorreichen Überschüsse eine tödliche Gefahr trotz Siegerkranz. Muss denn selbst heute noch darauf hingewiesen werden, was es bedeutet, wenn es Ländern wie Griechenland, Spanien oder Italien schlecht geht? Für deren Wohlergehen sind wir mitverantwortlich. Und wir haben auch nur die Wahl mit ihnen gut zu leben oder mit ihnen unterzugehen.