Bürgerrechtler über FDP-Kurs: "Eine unehrliche Aussage"
Bürgerrechtler Patrick Breyer rief zur Wahl der FDP auf, ist nun aber enttäuscht über die Beschlüsse zu Vorratsdatenspeicherung und EU-Fluggast-Datenspeicherung.
taz: Herr Breyer, Sie haben aus bürgerrechtlicher Sicht zur Wahl der FDP aufgefordert. Sind Sie mit der Koalitionsvereinbarung zufrieden?
Patrick Breyer: Nein. Besonders enttäuscht hat mich, dass es nicht einmal eine unabhängige wissenschaftliche Überprüfung der bisher beschlossenen Überwachungsgesetze geben soll.
(ohne Altersangabe) ist der juristische Vordenker des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat), der die Massenverfassungsbeschwerde initiiert hat.
Bereuen Sie Ihren Wahlaufruf?
Nein. Schwarz-Gelb ist immer noch erheblich besser als eine Fortführung der großen Koalition. Mit der SPD wäre nach der Wahl wohl einiges von Schäubles Wunschliste umgesetzt worden, etwa die Onlinedurchsuchung für den Verfassungsschutz. Die FDP hat das alles abgeblockt. Zudem gibt es auch einige Lichtblicke, zum Beispiel die vorläufige Aussetzung der Internetsperren, das hätte ich gar nicht erwartet. Außerdem bekommt der Datenschutzbeauftragte endlich mehr Personal.
Was ist mit der Vorratsdatenspeicherung? Die Liberalen sagen, diese sei bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts weitgehend ausgesetzt.
Das ist eine falsche und unehrliche Aussage. Beschränkt wird nur der Zugriff auf die Daten zur Gefahrenabwehr, und auch das nur für Bundesbehörden - was aber wenig bringt, weil die Polizei ja im Wesentlichen auf Landesebene angesiedelt ist. Die eigentliche sechsmonatige Speicherung der Telefon- und E-Mail-Verbindungsdaten geht derweil unvermindert weiter. Da wurde überhaupt nichts ausgesetzt. Darauf aber käme es an. Unsere Hauptsorge ist ja nicht, dass die Polizei im Rahmen von Ermittlungsverfahren auf solche Daten zugreift, sondern dass die angehäuften Informationen über unsere Kontakte und Bewegungen missbraucht und illegal weitergegeben werden können. Dieses Risiko erschwert und behindert vertrauliche Kommunikation unzumutbar.
Die nächste große Vorratsdatenspeicherung wird die Daten von Flugpassagieren betreffen …
Ja, es gibt einen Vorschlag der EU-Komission, die unsere Flugbewegungen zur Terrorbekämpfung 13 Jahre aufbewahren will. Zunächst soll es nur um Flüge aus der EU hinaus oder in die EU hinein gehen. Aber es ist abzusehen, dass bald auch der Verkehr innerhalb der EU erfasst würde.
Was sagt die schwarz-gelbe Koalitionsvereinbarung hierzu?
Dazu heißt es nur, dass Deutschland sich bei diesem Vorhaben für ein höheres Datenschutzniveau einsetzen will, als in einem 2007 geschlossenen EU-Abkommen mit den USA vereinbart wurde.
Die bisherige SPD-Justizministerin Zypries hielt die EU-Pläne für verfassungswidrig.
Damit hatte sie völlig recht. Wenn Daten für Polizeizwecke ohne jeden Verdacht und ohne konkrete Gefahr für die ganze Bevölkerung ins Blaue hinein auf Vorrat gespeichert werden, dann verstößt dies eindeutig gegen deutsche und europäische Grundrechte. Es geht nicht darum, die Fluggastspeicherung mitzugestalten, sondern sie zu verhindern. Leider findet sich im Koalitionsvertrag keinerlei Hinweis, dass Deutschland den Kommissionsvorschlag generell ablehnen wird. Eben dies muss die neue Bundesjustizministerin tun. INTERVIEW: CHRISTIAN RATH
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