Bürgerkrieg in Syrien: Kämpfe greifen auf Libanon über
Mindestens sieben Menschen sterben bei Gefechten in Syriens Nachbarstaat Libanon. UN-Menschenrechtskommissarin Pillay ist gegen eine Amnestie für Mitglieder der syrischen Führung.
BEIRUT dapd | Der Konflikt in Syrien hat am Samstag erneut den Libanon erfasst. Bei Gefechten zwischen Unterstützern und Gegnern des Regimes von Präsident Baschar Assad wurden im Norden des Nachbarlandes mindestens 7 Menschen getötet und 22 weitere verletzt.
Der oppositionelle Syrische Nationalrat forderte die Staaten der Region zu einem militärischen Eingreifen gegen Damaskus auf. Zugleich sprach sich UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay ausdrücklich gegen eine Amnestie für Mitglieder der syrischen Führung aus.
Über mehreren Wohngebäuden in der libanesischen Stadt Tripoli waren am Samstag Rauchschwaden zu sehen. „Wir werden angegriffen, weil wir das syrische Volk unterstützen“, sagte ein sunnitischer Kämpfer der Nachrichtenagentur AP. Auch in Syrien selbst kam es nach Angaben von Aktivisten erneut zu Gefechten. Über mögliche Opfer lagen zunächst keine Angaben vor. Bereits im Mai waren bei Auseinandersetzungen in Tripoli mindestens acht Menschen ums Leben gekommen.
Vor einem Treffen der Außenminister der Arabischen Liga in Katar erklärte der Vorsitzende des Syrischen Nationalrats, Burhan Ghaliun, er würde eine militärische Aktion zur Beendung der Gewalt gegen die Kämpfer der Opposition und die syrische Zivilbevölkerung begrüßen. Kofi Annan, der Sondergesandte der Arabischen Liga sowie der Vereinten Nationen, warnte vor einem Abgleiten Syriens in einen Bürgerkrieg. Die Gefahr werde Tag für Tag größer, beängstigend sei dabei auch eine konfessionelle Dimension des Konflikts.
Pillay: „Es muss eine Haftung geben.“
Navi Pillay betonte in einem Interview mit AP, dass die Verantwortlichen für die Gewalt in Syrien zur Rechenschaft gezogen werden müssten. „Es kann keine Amnestie für sehr schwerwiegende Verbrechen geben“, sagte sie in Brüssel. „Deshalb ist meine Haltung sehr klar: Es muss eine Haftung geben.“ Das gelte selbst um den Preis, dass das Assad-Regime dadurch dazu getrieben werde, sich mit allen Mitteln an die Macht zu klammern.
Wozu das syrische Regime im Kampf um ihren Machterhalt bereit ist, zeigte sich in der vergangenen Woche. Bei dem Massaker in Hula wurden mehr als 100 Zivilpersonen getötet. Der UN-Menschenrechtsrat verurteilte am Freitag in Genf das Massaker und machte die syrische Regierung dafür verantwortlich. Der französische Präsident François Hollande forderte am Abend den Rücktritt Assads. Nur so könne die Gewalt gestoppt werden.
Russland stärkt der syrischen Führung weiter den Rücken
Russland steht allerdings weiter zu seinem einzigen Verbündeten in der Region. Präsident Wladimir Putin erteilte nach einem Treffen mit Hollande in Paris dessen Forderungen nach schärferen Sanktionen eine Absage. Das russische Außenministerium schloss sich sogar der Lesart der syrischen Regierung an: Das Massaker in Hula sei „eine gut geplante Aktion von Militanten zur Verhinderung einer politischen Regelung der Krise in Syrien gewesen“, hieß es in einer Mitteilung.
„Wir denken, dass die vom syrischen Regime begangenen Taten Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen“, sagte dagegen der britische Außenminister William Hague. Es gebe ein Muster von „weitverbreiteten und systematischen Angriffen auf die Zivilbevölkerung“. US-Außenministerin Hillary Clinton warf Russland vor, es verhalte sich gegenüber Syrien keineswegs neutral. „Die fortgesetzten Waffenlieferungen aus Russland haben das Assad-Regime gestärkt“, sagte sie am Freitag in Oslo.
Die US-Botschaft in Damaskus veröffentlichte unterdessen im Internet Satellitenaufnahmen, die Massengräber in der Region Hula zeigen sollen. Auf der Seite der Botschaft im Online-Netzwerk Facebook war eine Montage aus Bildern vom 18. und 28. Mai zu sehen. Auf der zweiten Aufnahme ist aufgeschüttete Erde zu erkennen, die auf Massengräber hindeuten könnte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren