Bürgerkrieg in Libyen: Gaddafi bleibt hart
Gaddafi kündigt "grünen Marsch" auf Bengasi an. Die EU weitet die Sanktionen gegen Libyen aus. Bei Luftangriffen der Alliierten ist eine Kommandozentrale des Militärs schwer beschädigt worden.
TRIPOLIS/BRÜSSEL/BERLIN dpa/taz | Libyens Staatschef Muammar al-Gaddafi geht trotz der Angriffe des Westens auf seine Panzer und Kommandostrukturen weiter gegen die Rebellen im Land vor. Bei einem "grünen Marsch" auf Bengasi will er nach einer Meldung der staatlichen Nachrichtenagentur Jana Tausende Anhänger in die größte von Rebellen gehaltene Stadt schicken. Mit einem Angriff auf einen Militärstützpunkt, auf dem Gaddafi und seine Familie leben, beschädigten die Alliierten angeblich ein militärisches Kommandozentrum schwer. Die EU weitete die Sanktionen gegen Libyen aus.
Trotz angeblicher Waffenruhe griffen Gaddafis Truppen am Montag Stellungen der Rebellen in der Stadt Al-Sintan an. Das berichtete der Sender Al-Arabija unter Berufung auf Augenzeugen. Auch die Stadt Misrata stehe unter Beschuss, berichteten Rebellen auf BBC.
Französische Kampfflugzeuge flogen nach Angaben eines Militärsprechers in Paris Einsätze zur Durchsetzung der Flugverbotszone. London schloss einen direkten Angriff auf Gaddafi selbst nicht aus.
EU weitet Sanktionen aus
Die Außenminister der 27 EU-Staaten beschlossen in Brüssel, neun Firmen – darunter drei führende Geschäftsbanken – in eine Liste von Unternehmen aufzunehmen, deren Konten in der EU eingefroren werden. Die Liste von knapp 30 Personen, denen die Einreise in die EU verboten wurde und deren Konten in der EU gesperrt wurden, wurde um elf Mitglieder des Führungskreises von Gaddafi erweitert. Deutschland hofft nach Angaben von Außenminister Guido Westerwelle auf ein vollständiges Öl-Embargo der EU gegen Libyen noch in dieser Woche.
Die Nato zeigte sich weiterhin gespalten über eine Beteiligung an der Militäraktion. Aus den Nato-Ländern Türkei und Bulgarien kam Kritik. Bei Sondersitzungen in Brüssel wollten die Botschafter der 28 Nato-Staaten einen neuen Anlauf für eine Einigung machen.
Die Arabische Liga bekräftigte ihre Unterstützung für die Flugverbotszone in Libyen. Generalsekretär Amre Mussa sagte nach einem Treffen mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in Kairo: "Wir respektieren die UN-Resolution 1973, wir haben nichts dagegen einzuwenden, vor allem weil diese Resolution weder zu einem Einmarsch noch zu einer Besetzung des libyschen Staatsgebietes aufruft." Am Vortag hatte sich Mussa besorgt über mögliche zivile Opfer geäußert.
Nach Berichten von Oppositionellen und arabischen Medien soll Chamies al-Gaddafi, ein Sohn des Machthabers, Opfer eines Kamikaze-Piloten geworden sein. Er sei an den Folgen schwerer Brandverletzungen gestorben, die er erlitten habe, als ein Deserteur der libyschen Luftwaffe vor einigen Tagen mit seinem Kampfjet absichtlich auf den Stützpunkt Bab al-Asisija stürzte. Dort leben Gaddafi und seine Familie.
Kommandozentrum Gaddafis schwer beschädigt
Ein laut CNN als Kommandozentrum der Militärs genutztes Gebäude auf diesem Stützpunkt war am Sonntagabend bei einem Angriff der westlichen Allianz schwer beschädigt worden. Wo sich Gaddafi zu dem Zeitpunkt aufhielt, war unbekannt. Das Verteidigungsministerium in London erklärte, die von einem britischen U-Boot abgefeuerten Tomahawk-Marschflugkörper hätten Ziele in den Kommandostrukturen Gaddafis zerstören sollen. "Wir sind sehr zufrieden mit dem Erfolg der Operation", sagte Kommunikationschef John Lorimer.
Mehr als 100 geflüchtete Libyer erreichten in der Nacht zum Montag in zwei Booten Siziliens Ostküste. An den Grenzen zu Libyen kommen nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR seit dem Eingreifen des Westens weniger Flüchtlinge an. Allerdings steige innerhalb des Landes die Flüchtlingszahl. Etwa 5.000 Menschen sollen sich demnach im Osten Libyens in Schulen und Universitäten aufhalten. Nach Zahlen vom 19. März sind fast 318.000 Menschen aus Libyen geflohen.
Gaddafi plant "grünen Marsch" auf Bengasi
Gaddafi traf sich in der Nacht zum Montag mit Mitgliedern eines Volkskomitees, um einen "grünen Marsch" nach Bengasi zu organisieren. Die "Demonstranten" würden sich in friedlicher Absicht auf dem Weg in die Stadt im Osten machen. Bewaffnete Bürger würden sie aber begleiten, da die andere Seite ebenfalls bewaffnet sei. Ziel sei es, Pläne der Ausländer zu durchkreuzen, die Libyen ausplündern wollten. Der britische Verteidigungsminister Liam Fox sagte dem Sender BBC, ein Angriff auf Gaddafi selbst sei "eventuell eine Möglichkeit". Es hänge davon ab, ob Zivilisten außer Gefahr bleiben könnten.
US-Vizeadmiral William Gortney hatte dagegen am Sonntag gesagt, die Angriffe richteten sich nicht gegen Gaddafi als Person. Russlands Regierungschef Wladimir Putin nannte es beunruhigend, wie leicht auf internationaler Ebene Kampfhandlungen gegen souveräne Staaten durchgesetzt würden und sprach laut Agentur Interfax von einem "Aufruf zum Kreuzzug".
Grundlage des alliierten Einsatzes ist eine Resolution des UN-Sicherheitsrates. Sie erlaubt eine Flugverbotszone über Libyen und den Einsatz militärischer Zwangsmittel, um Gaddafi an militärischer Gewalt gegen die protestierende Bevölkerung zu hindern. Besatzungstruppen darf die Allianz nicht entsenden.
Vier Journalisten der New York Times sind nach sechs Tagen in der Gewalt der libyschen Behörden wieder frei. Sie wurden nach Angaben des Blattes am Montag der türkischen Botschaft übergeben. Die Redakteure sollten das Land verlassen und heimkehren.
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