Bürgerkrieg in Libyen: Gaddafi will als Märtyrer sterben
Der Exdiktator hat laut dem TV-Sender "Allibija" versichert, sich weiterhin in Libyen aufzuhalten. Derweil haben die Truppen des Übergangsrates den Hafen von Gaddafis Heimatstadt Sirte erobert.
TRIPOLIS afp/dpa | Der gestürzte libysche Machthaber Muammar el Gaddafi hat einem Bericht zufolge versichert, sich weiterhin im Land aufzuhalten und dort als "Märtyrer" sterben zu wollen. "Die Helden haben Widerstand geleistet und sind als Märtyrer gefallen", sagte er laut der Internetseite des Gaddafi-treuen Fernsehsenders Allibija vom Dienstag. "Auch wir rechnen damit, als Märtyrer zu sterben", ergänzte er demnach in einer Ansprache im Lokalradio seiner Bastionsstadt Bani Walid im Landesinnern.
"Durch euren Heiligen Krieg wiederholt ihr die Heldentaten eurer Vorfahren", sagte Gaddafi dem Bericht zufolge in seiner Botschaft an Stammeskämpfer. Diese sollten wissen, dass er "im Land" sei. "Ich bin unter meinem Volk, und die kommenden Tage halten für diese Agentenclique eine unerwartete Überraschung bereit", warnte er demnach mit Blick auf die neue libysche Führung. Behauptungen, er sich in Venezuela oder im Niger aufhalten, seien Lügen.
Gaddafi befindet sich seit der Eroberung seiner Residenz in der libyschen Hauptstadt Tripolis Ende August durch die Aufständischen Rebellen auf der Flucht. Bani Walid ist eine der letzten Hochburgen des gestürzten Machthabers und zwischen den Truppen des Nationalen Übergangsrats und Anhängern Gaddafis weiterhin hart umkämpft.
Unterdessen haben die Milizen des libyschen Übergangsrates am Dienstag nach eigenen Angaben den Hafen der umkämpften Stadt Sirte eingenommen. Sie würden nun in die angrenzenden Wohngebiete im Osten der Heimatstadt des gestürzten Machthabers Muammar al-Gaddafi vorrücken, verlautete aus Militärkreisen in der Hauptstadt Tripolis. Über mögliche Opfer bei der Einnahme des strategisch wichtigen Hafens am Mittelmeer wurde zunächst nichts bekannt.
Die Revolutionsstreitkräfte bemühen sich nach eigenen Angaben um die Evakuierung von Zivilpersonen aus Sirte. Sie könnten die Heimatstadt des einstigen Machthabers Muammar al Gaddafi einnehmen, "wann immer wir uns dazu entscheiden", sagte Kommandeur Al Tohami Abu Sajan am Dienstag. Zum Schutz der Zivilbevölkerung hielten sich die Kämpfer bislang noch zurück.
Die in Sirte verschanzten Gaddafi-Kämpfer leisten seit zwei Wochen heftigen Widerstand gegen die Übergangsratstruppen, die danach trachten, die letzten Bastionen des früheren Machthabers unter ihre Kontrolle zu bringen.
Keine Lockerbie-Ermittlungen
Der Nationale Übergangsrat in Libyen hat neue Ermittlungen gegen den aus dem Land stammenden verurteilten Attentäter von Lockerbie, Abdelbaset el Megrahi, abgelehnt. Megrahi habe bereits mehr als zehn Jahre im Gefängnis gesessen, sei aus humanitären Gründen entlassen worden und dürfe nicht weiter verfolgt werden, sagte das für die Rechtspolitik der neuen libyschen Führung zuständige Ratsmitglied Mohammed el Alagi am Montagabend. "Wir sollten denselben Menschen nicht zweimal bestrafen", fügte er hinzu.
Die schottischen Behörden hatten den Übergangsrat zuvor um Hilfe bei den Ermittlungen zu den Hintergründen des Anschlags vor fast 23 Jahren gebeten. Demnach sollte der Rat Dokumente zur Verfügung stellen oder Zeugen benennen, die den Ermittlern möglicherweise hilfreich sein könnten.
Wegen des Anschlags auf eine Passagiermaschine über dem schottischen Lockerbie im Dezember 1988, bei dem 270 Menschen ums Leben kamen, ist bisher einzig Megrahi verurteilt worden. Er wurde im Jahr 2009 wegen einer Krebserkrankung im Endstadium aus humanitären Gründen aus der Haft entlassen.
Megrahi wurde bei seiner Rückkehr in das damals noch von Machthaber Muammar el Gaddafi beherrschte Libyen wie ein Volksheld empfangen und lebt noch heute. Im April verhörten die schottischen Ermittler zu dem Anschlag bereits Libyens Ex-Außenminister Mussa Kussa, nachdem sich dieser von Gaddafi losgesagt hatte.
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