Bürgerinitiative gegen A 100: Im Zweitberuf Autobahngegner
Für die Bürgerinitiative in Treptow, die sich gegen den Ausbau der A 100 wehrt, sind diese Wochen der erste Höhepunkt ihres Kampfes: Derzeit liegen die Pläne für den umstrittenen Bau aus. Ein Besuch bei einem Treffen der Initiative.
Birte Rodenberg wirkt erschöpft. Als sie um kurz vor sieben Uhr den Gemeinderaum der Bekenntniskirche in Treptow betritt, hat sie schon einen doppelten Arbeitstag hinter sich. Eigentlich schreibt die freiberufliche Soziologin Gutachten. Doch seit einiger Zeit hat sie einen - unbezahlten - Zweitjob: den Kampf gegen den Ausbau der Stadtautobahn.
15 Menschen sind der harte Kern der Bürgerinitiative, erklärt Rodenberg, während sie sich aus Schal und Jacke schält. Ihr Mitstreiter Hartmut Fritsch schätzt, dass dieser harte Kern derzeit 20 bis 30 Stunden in die Arbeit der Bürgerinitiative steckt. Jeder einzelne, wöchentlich. Fritsch ist eigentlich Programmierer, als "fachfremd" bezeichnet er sich, doch das sind hier alle. Gemeinsam ist ihnen: Sie sind betroffen. Mal mehr, mal weniger: Eine von ihnen wohnt in der Sonnenallee, die das Autobahnstück einmal kreuzen soll, eine andere sieht sich "gefühlt betroffen".
Einer der Anwesenden war im Rathaus, hat Pläne der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung eingesammelt, die den 16. Bauabschnitt veranschaulichen. Auf dem Tisch werden die Pläne auseinandergefaltet, begutachtet, man runzelt die Stirn. Auf dem Stadtplan schlängelt sich die Autobahn von der Grenzallee zum Treptower Park, ein paar Straßen und Kanäle sind noch eingezeichnet, sonst nur rosafarbene, graue und grüne Flächen. Grün wird auch auf erläuternden Zeichnungen hervorgehoben: Ein Bild, das die "Autobahn in Troglage" darstellen soll, zeigt vor allem Bäume, Büsche und Rasen. "Dabei sollen den Bauarbeiten schöne, alte Platanen weichen", sagt Andrea Gerbode.
Die Platanen sind eines der anschaulicheren Themen, die die Bürgerinitiative heute debattiert. Die meisten kleiden sich in lange, abstrakte Wörter: Umweltverträglichkeitsprüfung, landschaftspflegerischer Begleitplan. "Man wird schon ein bisschen zum Fachjuristen", sagt Fritsch. Das zentrale Anliegen heute: Wie lassen sich möglichst viele Bürger dazu mobilisieren, Einwände gegen das Projekt zu machen?
"Das ist schon ungewöhnlich: Wir wollen jetzt keine Unterschriften oder Demonstrationen, sondern dass die Leute selber einen drögen Text schreiben", sagt Rodenberg. Das ist leichter gesagt als getan: Viele sind gerne bereit, zu unterschreiben, wenn es eine Vorlage gibt. Nur die nützt nichts, weil identische Einwände zusammengefasst werden sollen. "Manchmal habe ich eine Panikvision, dass ich vor lauter Arbeit selbst vergesse, die Einwendung zu schreiben", sagt Rodenberg. Die Einwendung als Happening, mehr Argumentationshilfen auf die Homepage, Präsenz in den Rathäusern, um Bürger, die die Unterlagen einsehen, in ihrem Sinne zu informieren, das sind die Ideen. "Denn die Informationen, die man derzeit vor Ort bekommt, sind sehr parteiisch", kritisiert Dorothee Dietz. Da wolle man ein Gegengewicht bilden.
Die Aktivisten sind sich bewusst, dass ihre Arbeit nicht unbeobachtet bleibt: Der Betreuer der Website erzählt, dass ein großer Teil der Zugriffe vom Senat kommt. "Die wollen genau wissen, was wir tun." Ein Lichtblick für die Aktivisten: Wenn am 23. April die Einspruchsfrist endet, wird es auch für sie wieder ruhiger - zumindest vorläufig. Für den Herbst erwartet Rodenberg die nächste Arbeitswelle. Dann müssen die Bürger für die Anhörung mobilisiert werden.
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