Bürgerbegehren: Waldmuseum vor dem Abschuss
Bezirksversammlung will Haus des Waldes ablehnen. Architekten vermissen Diskussion über Konzept. Initiative fürchtet Publikum im Niendorfer Gehege.
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Das Umweltbildungszentrum der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) am Rande des Niendorfer Geheges droht zu scheitern. Am Donnerstag stimmt die Bezirksversammlung Eimsbüttel darüber ab, ob sie sich ein Bürgerbegehren gegen das geplante "Haus des Waldes" zu eigen macht. SPD und GAL, die über die Mehrheit verfügen, haben angekündigt, dem Bürgerbegehren zuzustimmen. SDW-Geschäftsführer Rüdiger Kruse (CDU) fordert einen Bürgerentscheid. Die Planer vom Studio Andreas Heller bedauern, dass ihr inhaltliches Konzept keine Rolle spiele.
Heller und seine KollegInnen haben eine Menge Erfahrung im Ausstellungsbau. Sie haben die zweite Wehrmachtsausstellung gestaltet, das Buddenbrook-Haus in Lübeck und das Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven, das 2007 zum Europäischen Museum des Jahres gekürt wurde.
Auf einem ehemaligen Schulgelände am Lokstedter Holt, das die SDW bereits heute nutzt, plant Heller ein dreiflügeliges, einstöckiges Gebäude mit Ausstellungsräumen, einem 90 Quadratmeter großen Seminarraum für Tagungen, einem Bistro, Büros für die SDW und Gruppenräumen für deren Umweltpädagogik. Dazu kommen 26 Parkplätze und eine verbesserte Zufahrt. Neun Bäume müssten dafür gefällt werden, sagt Heller.
Das Erholungsgebiet entstand im 18. Jahrhundert aus einem Wald der dänischen Forstverwaltung.
Im 19. Jahrhundert setzten Hamburger ihre Villen hinein und legten Landschaftsparks an. Nach 1945 kaufte die Stadt das Areal.
Im Gehege plant die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald ein Umweltbildungszentrum. Es kostet 6,8 Millionen Euro; vier Millionen kommen aus dem Konjunkturprogramm des Bundes.
Das Gebäude wird zwar im Kern aus Stahlbeton bestehen, innen und außen aber mit Holz verkleidet sein. "Man soll das Gefühl haben, man geht in dieses Holz hinein", sagt Heller. Die Architekten wollen mit der Lebendigkeit des Holzes spielen. Pfeiler könnten nach dem Vorbild von Bäumen und Halmen konstruiert und die Fassade so gefaltet werden, dass darin Vögel und Fledermäuse nisten.
Mit der Ausstellung will Heller einen Besuch des echten Waldes vor- und nachbereiten. Viele Großstadtkinder seien noch nie im Wald gewesen. Ihnen wollen die Planer vermitteln, was es im Wald zu entdecken geben könnte, und warum der Wald wichtig ist. Tierspuren im Betonboden führen zu ausgestopften Tieren; ein Stück vom ältesten Baum Europas soll Ehrfurcht wecken, ebenso der Klang des Bayrischen Waldes 1920; es soll vom Mythos Wald erzählt werden aber auch davon wie der Wald nachhaltig genutzt werden kann. Im Haus sollen sich daneben auch Forstexperten aus verschiedenen Ländern über moderne Waldbewirtschaftung austauschen können.
Aus Sicht der Kritiker passt dieses Konzept nicht zum vorgesehenen Ort - obwohl sich der Ortsausschuss Lokstedt 2007 dafür ausgesprochen hatte. "Unserer Meinung nach überfordert das den Standort am Lokstedter Holt", sagt GAL-Fraktionschefin Susanne Egbers. Das Haus mit Ausstellung, Tagungsmöglichkeit und Gastronomie werde zusätzliche Menschen ins Niendorfer Gehege locken. Heute schon seien am Wochenende die Straßenränder im Gehege oft zugeparkt. Trotz der Nähe der U-Bahn würden viele mit dem Auto kommen. Ein Verkehrsgutachten, das magere 170 Fahrten am Tag prognostiziert, akzeptiert sie nicht. Zudem sei zu befürchten, dass die SDW, wenn das Zentrum einmal stehe, den Bezirk unter Druck setze. "Dann kommt der Träger in zwei Jahren und sagt: Wir machen hier pleite, wenn Ihr dies und jenes nicht zulasst."
Die Bürgerinitiative äußert in einem abschließenden Schreiben an die Bezirksfraktionen die Befürchtung, dass ein Neubau einen Präzedenzfall schaffen würde, der weiteren Projekten die Tür öffne. Sie schlägt vor, ein reines Haus der Jugend mit 300 bis 400 Quadratmetern gegenüber den geplanten 2.900 zu bauen.
Die SPD-Fraktion will das Bürgerbegehren unabhängig von inhaltlichen Fragen annehmen. Es sei nie ein SPD-Projekt gewesen, sagt Fraktionschef Rüdiger Rust. "Wenn wir es nicht annehmen würden, müssten wir ja für das Haus kämpfen."
Kruse dagegen besteht auf einem Bürgerentscheid. "Es kann nicht angehen, dass ein versprengter Haufen eine umweltpädagogische Einrichtung verhindert", findet er.
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