Bürgerbegehren in Garmisch-Partenkirchen: Die WM ist vorbei, der Frieden auch
Die Olympia-Gegner in Garmisch-Partenkirchen starten ein Bürgerbegehren gegen die Spiele 2018. Man wollte mit der Bekanntgabe bis nach der WM warten.
Eigentlich sollte die Ski-WM in Garmisch-Partenkirchen wie Doping für die Olympiabewerbung wirken. Die Organisatoren hatten sich eine weiße Schneelandschaft vorgestellt, jubelnde Massen und natürlich lokale Ski-Heroen vollbehängt mit Medaillen. Die Realität sah anders aus: Maria Riesch holte nur zwei Bronzemedaillen, Felix Neureuther kam mit der Erwartungshaltung einfach nicht klar und schied ohne wirkliche Chance im Slalom aus.
Es kam einfach keine Wintermärchen-Stimmung auf – obwohl kaum ein Gesprächspartner, egal ob Athlet oder Funktionär, vergaß, Wörter wie "Euphorie" und "Wintersportbegeisterung" einzustreuen. Die So-Naja-Stimmung ist sicherlich auch auf das Wetter zurückzuführen: Zuletzt zogen sich doch die berühmten weißen Bänder durch ansonsten grüne Landschaften. Telegen wirkt das nicht. Alles in allem wurde also das Doping-Ziel für die Olympiabewerbung klar verfehlt.
In einer Woche rückt nun eine Evaluierungskommission des IOC an. Die 14 Mitglieder der Kommission unter Führung der Schwedin Gunilla Lindberg werden die Bewerbungsunterlagen auf "Herz und Nieren prüfen". So formuliert dies IOC-Vize Thomas Bach gerne; auch, um klarzustellen, dass die Olympia-Gegner mit seiner Meinung nach falschen Fakten arbeiten. Dieser Vorwurf beruht auf Gegenseitigkeit, insbesondere, wenn es darum geht, Umfragen für sich zu interpretieren. Was beide Seiten wissen: Das Internationale Olympische Komitee legt großen Wert darauf, dass die Euphorie vor Ort stimmt. In Zahlen ausgedrückt heißt dies: Mindestens 80 Prozent der Bevölkerung sollten schon für die Spiele sein.
Aus diesem Grund dürfte ab morgen bei der Olympiabewerbungsgesellschaft Stress ausbrechen. Nach taz-Informationen geben die Olympia-Gegner dann mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit bekannt, dass sie ein Bürgerbegehren gegen die Olympischen Spiele in Garmisch-Partenkirchen starten. Dies kommt durchaus überraschend: Immer wieder hatten die Olympia-Gegner dieses angekündigt, immer wieder haben sie dieses aber auch verschoben. Doch ein Insider hat der taz bestätigt, dass seit mehreren Tagen Klarheit herrscht – allerdings sei entschieden worden, mit der Bekanntgabe bis nach der Ski-WM zu warten, um nicht als "Festspiele-Nörgler" zu gelten.
Zuvor hatten die Olympiagegner monatelang vor allem Probleme, ein geeignete Fragestellung zu finden. Diese darf zum Beispiel nicht dazu führen, dass die Gemeinde Garmisch-Partenkirchen bezüglich abgegebener Garantien vertragsbrüchig wird. Nun wollendie Gegner eine Fragestellung gefunden haben, die juristisch einwandfrei ist. Die zweite Problematik bestand darin, dass die Olympiagegner lange keine Bürger im Ort fanden, die sich namentlich für ein Bürgerbegehren aufstellen lassen. Der Grund: Die Stimmung in Garmisch-Partenkirchen ist bis heute derart vergiftet, dass viele Menschen einfach Angst haben.
Mittlerweile haben die Olympiagegner vier Personen gefunden, die das Bürgerbegehren initiieren. Einer von ihnen: der örtliche Kreisvorsitzende des Bund Naturschutz, Axel Doering. Zuletzt sagte dieser, dass sich das Vorhaben auf einem gutem Weg befinde. Offiziell steht keine Partei oder Organisation, auch nicht das Netzwerk "Nolympia", hinter dem Vorhaben. Der Verdacht, das Bürgerbegehren werde den Garmischern von außen aufoktrioiert, soll unbedingt vermieden werden.
Natürlich unterstützt "Nolympia" das Bürgerbegehren. Möglichst schnell sollen die notwendigen 1.700 Unterschriften gesammelt werden, damit ein Bürgerentscheid möglich wird. Anschließend prüft die Gemeinde die rechtliche Zulässigkeit des Vorhabens. Deswegen ist auch noch unklar, ob ein möglicher Bürgerentscheid vor oder nach der Olympiaentscheidung im Juli stattfindet.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
ifo-Studie zu Kriminalitätsfaktoren
Migration allein macht niemanden kriminell
Bundesregierung und Trump
Transatlantische Freundschaft ade